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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Hausvorstand die Pflicht hatte, das Tischgebet zu sprechen. Zu Hause hatte dies sein Vater getan. Doch als er jetzt selbst die Worte sprach, die sich ihm seit seiner Kindheit eingeprägt hatten, fühlte er sich auf einmal frei. Mochte sein Vater tun und lassen, was ihm in den Sinn kam. Er würde seinen eigenen Weg gehen – und zwar zusammen mit Veva. Sie sprach zwar kaum ein Wort, aber er fand es angenehm, sie in seiner Nähe zu haben. Als er sah, wie sie nach dem Brotlaib griff, um sich ein Stück abzuschneiden, kam er ihr zuvor.
    »Weißt du, dass du eine ebenso schöne wie tüchtige Frau bist?«, sagte er, während er ihr eine dicke Scheibe Brot reichte.
    »Obwohl ich gestern den halben Tag in der Küche gesessen bin und gelesen habe?«, fragte sie spöttisch.
    »Du hast gesponnen!«, erinnerte er sie. »Außerdem ist es meine Schuld, dass du nicht genug zu tun hast. Ich hätte uns längst ein eigenes Haus besorgen müssen.«
    Im Augenblick hatte er ganz vergessen, dass er bis vor kurzem gehofft hatte, Veva würde so lange wie möglich in München bleiben. Nun sagte er sich, dass verheiratet zu sein seine Vorteile hatte. Es war erfreulich, am Morgen in ein freundliches Gesicht zu sehen und in der Nacht einen warmen, willigen Leib neben sich zu spüren. Bei dem Gedanken strömte ihm das Blut in die Lenden, und er fühlte, wie seine Sehnsucht nach ihr wuchs. Zuerst kämpfte er gegen das Gefühl an, sagte sich dann aber, dass er den Tag angenehm beginnen wollte. Portikus und die anderen würde er noch früh genug sehen. Daher aß er auf, wartete, bis auch Veva fertig war, und fasste dann nach ihrer Hand.
    »Aufräumen kannst du, wenn ich weg bin. Jetzt steht mir der Sinn nach etwas anderem.«
    Veva begriff sogleich, was er meinte, und ihr lag bereits eine harsche Antwort auf der Zunge. Da erinnerte sie sich an ihren Wunsch, möglichst bald schwanger zu werden. Dazu würde es nicht kommen, wenn sie sich ihrem Mann verweigerte. Aus diesem Grund folgte sie ihm in die Schlafkammer, streifte ihr Gewand ab, behielt aber ihr Hemd an. Als sie sich hinlegte, schob sie dessen Saum nur so hoch, wie es nötig war.
    Zwar hätte Ernst sie gerne einmal nackt gesehen, doch er sagte sich, dass er sie nicht drängen durfte. So rasch es ging, schlüpfte er aus Wams und Hosen und stieg auf das Bett. Als er nach ihrer Hüfte fasste, zuckte sie zwar ein wenig zusammen, wirkte aber weniger angespannt als beim ersten Mal. Sie ließ es zu, dass er mit seinen Fingern dem Schwung ihrer Schenkel folgte, und keuchte, als er genau dazwischenfasste.
    Veva ist also doch nicht ganz ohne Gefühl, dachte Ernst und schob sich auf sie. Obwohl sie sich gut in der Gewalt hatte, merkte er ihr eine gewisse Erregung an und nahm sich vor, ihr keinen Grund zu liefern, unzufrieden mit ihm zu sein.

4.
    A n diesem Tag tat sich im Fuggerhaus nicht viel. Der Kaufherr und seine Untergebenen gingen ihren Geschäften nach, die geistlichen Herren diskutierten religiöse Fragen, und Franz von Gigging lümmelte sich auf einem Stuhl und streichelte gelegentlich den Knauf seines Schwertes.
    Da Ernst Langeweile nicht gewohnt war, aber von Kardinal Cajetanus nicht gebraucht wurde, bat er den Kaufherrn, ihm eine Arbeit aufzutragen. Fugger sah ihn mit einem zufriedenen Nicken an und befahl ihm, Listen zusammenstellen, die er in Kürze benötigte. »Allerdings wirst du es in diesem Raum tun, um bereitzustehen, wenn Seine Eminenz einen Auftrag für dich hat«, setzte er hinzu.
    »Das ist selbstverständlich!« Ernst war dies sehr recht, denn so konnte er den Kardinal und dessen Gefolge unauffällig belauschen.
    Die Stunden vergingen, doch der einzige Effekt war, dass Ernsts Latein beim Zuhören geschult wurde. Worüber sich die geistlichen Herren unterhielten, erschloss sich ihm jedoch nicht so ganz, denn sie verwendeten immer wieder Zitate kirchlicher Würdenträger aus früherer Zeit, die Ernst während seiner Schulzeit nicht gelernt hatte. Damals hatte er sich geärgert, außer Lesen, Schreiben und Rechnen auch noch Latein pauken zu müssen, denn er hatte weder Priester noch Mönch werden wollen. Die Mutter hatte es jedoch so bestimmt, und der Vater es mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen.
    Während er aus einem dicken Stapel Lieferpapiere die Listen für Fugger erstellte und gleichzeitig die Ohren offenhielt, kam Ernst zu dem Schluss, dass sich sein Vater im Grunde nie viel aus ihm gemacht hatte. Für Eustachius Rickinger gab es nur einen Menschen auf der Welt,

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