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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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der Straße gesehen.«
    »Du sprichst arg derb, mein Sohn!« Portikus beschloss, dem Besucher gegenüber seinen geistlichen Stand herauszukehren. Zwar gefiel ihm der Mann nicht besonders, aber seine Worte hatten ihn neugierig gemacht. »Wer ist eigentlich dein Freund in München?«
    »Der ehrengeachtete Kaufherr Benedikt Haselegner, wenn Euch der Name etwas sagt!«
    Portikus schüttelte missmutig den Kopf. »Der Mann ist auch nicht gerade ein Vorbild an Tugend und Lauterkeit.«
    »Er ist ein treuer Sohn der Kirche, anders als ein gewisser Lümmel.« Es machte Gigging Spaß, mit dem Kleriker zu spielen. Dabei war ihm bewusst, dass er es nicht zu weit treiben durfte, denn Portikus war sehr von sich, seinem geistlichen Rang und der Heiligkeit der Kirche überzeugt. Um deren Ruf zu schonen, war er bereit, Fehltritte anderer Kirchenmänner zu entschuldigen und Leute wie Ernst Rickinger, die diese ans Tageslicht brachten, mit kleinlicher Feindschaft zu verfolgen. Da Gigging sich keinen Gegner am Hofe des Bayernherzogs leisten konnte, lobte er nun Haselegner und erzählte, dieser habe seine Abscheu über Ernsts verwerfliche Tat mehrfach kundgetan. »Er ist ihm auch sonst nicht gewogen. Immerhin hatte mein Freund große Hoffnungen, Veva Leibert ehelichen zu können. Doch Ernst Rickinger hat deren kranken Vater mit üblen Lügen und Drohungen dazu gebracht, ihm das Mädchen zur Frau zu geben.«
    Seine Hoffnung war, dass Portikus in seiner Rachsucht Haselegner als Verbündeten ansehen und diesem helfen würde, Ernst aus dem Weg zu räumen. Vielleicht würde er auch mithelfen, die frischgebackene Witwe in das Bett seines Verbündeten zu legen. Zumindest traute er Portikus zu, etwas dafür springen zu lassen, dass Ernst zu Tode kam, und diese Summe wollte er sich verdienen.
    »Ich frage mich, was Rickinger hier in Augsburg will«, brach es aus Portikus hervor.
    »Vielleicht wollte er sein Unwesen dort treiben, wo er Euch aus den Augen ist, Eminenz!«
    »Nenne mich nicht bei diesem Titel. Ich bin kein Kardinal!«, fuhr Portikus ihn an. Doch seine Mimik verriet, wie sehr er nach diesem Titel gierte.
    Gigging senkte den Kopf, um sein Lächeln zu verbergen. »Ihr seid eine Stütze des Bayernherzogs. Wie könnte Seine Heiligkeit, Papst Leo X., dies vergessen.«
    Gigging wusste aus Erfahrung, dass Schmeichelei bei jemandem wie Portikus am besten verfing. Der Mann war überaus ehrgeizig und träumte in manchen Nächten vielleicht sogar davon, zum Papst gewählt zu werden.
    Portikus stieß zischend die Luft aus den Lungen. »Wenn der Herzog nur mehr auf meinen Rat hören würde! Doch er stimmt den Thesen dieses elenden Luther in etlichen Punkten zu und hält Pater Remigius für schuldbeladener als Ernst Rickinger.«
    Der hat die Bürgerfrau ja auch nicht genagelt, dachte Gigging voller Spott, stimmte Portikus aber wortreich zu.
    Der Theologe rief einen Diener, befahl diesem, Wein zu holen, und lud Gigging ein, mit ihm zu trinken. Der nahm fröhlich an und erzählte, als sie wieder unter sich waren, dass Kardinal Cajetanus ihn nicht ohne Grund mitgenommen habe. »Es geht um Luther, müsst Ihr wissen, hochwürdiger Vater. Wenn der Kerl nicht widerruft, darf er nicht mehr nach Wittenberg zurückkehren, sondern wird nach Rom geschafft, um dort seine gerechte Strafe zu erhalten.«
    Portikus glaubte herauszuhören, dass der Ritter ebenfalls ein Diener des Papstes und in dieser Angelegenheit sogar dessen verlängerter Arm war, und legte seine Abneigung gegen den Mann ab. Mehrere Becher später vertraute er ihm seine intimsten Geheimnisse an.
    Gigging hörte ihm aufmerksam zu und überlegte, wie er dieses Wissen zu seinem Vorteil nutzen konnte.

2.
    D ie Dienste, die Ernst für Kardinal Cajetanus und die anderen geistlichen Herren erbringen musste, belasteten ihn nicht sonderlich. Er hatte die Knechte zu beaufsichtigen, die die Gäste bedienten, ließ Bücher aus Fuggers Bibliothek holen und besorgte ganz offiziell die neuesten Verteidigungsschriften aus der Feder Luthers bei den Druckern der Stadt. Zu seiner Erleichterung war Doktor Portikus nicht mehr bei Cajetanus aufgetaucht, sondern hatte sich, wie Bedienstete ihm berichteten, mit Ritter Franz von Gigging zum Gespräch zurückgezogen. Erst beim Abendessen erschien der Theologe aus München wieder und ließ einige boshafte Bemerkungen über ihn fallen.
    Daher war Ernst froh, als er das Fuggerhaus am Abend verlassen konnte. Er ging jedoch nicht sofort zu dem Häuschen, das er und Veva

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