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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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dem seine Liebe galt, nämlich sich selbst. Die Mutter war ganz anders gewesen. Zuerst hatte sie versucht, ihrem Mann all die Liebe zu geben, deren sie fähig war, und als sie sich abgewiesen fühlte, hatte sie ihren Sohn mit ihrem Gefühlsüberschwang beinahe erstickt.
    Damals hatte Ernst sich gewünscht, die Mutter würde ihn so behandeln wie andere Mütter ihre Söhne. Doch sie hatte ihn stets in das beste Gewand gesteckt, ihm das schönste Spielzeug besorgt und war fast vor Sorge vergangen, wenn er einmal mit einem aufgeschürften Knie oder einer blutigen Nase nach Hause gekommen war. Die Schuld daran hatte er früher ihr zugeschrieben, doch nun wusste er, dass sie sich an ihn geklammert hatte, weil sein Vater ihr kalt und lieblos begegnet war.
    Am Nachmittag kam Jakob Fugger auf ihn zu, in der Hand einen Brief. »Hier, Ernst! Dieses Schreiben stammt von deinem Vater. Echle hat es vorhin gebracht.«
    »Danke, Herr!« Ernst nahm den Brief entgegen und erbrach das nachlässig angebrachte Siegel. Der Brief selbst war kurz und entbehrte jeder Herzlichkeit. Da Fugger neben ihm stehen geblieben war, sah Ernst mit einem kurzen Lachen zu diesem auf. »Mein Vater schreibt, dass er sich mittlerweile neu vermählt habe. Daher solle ich, wenn ich einmal nach München käme, im Hause meines Schwiegervaters Unterkunft suchen.«
    Fugger wirkte nachdenklich. »Das neue Weib deines Vaters soll eine arg gewöhnliche Frau sein, habe ich mir sagen lassen. Wie es aussieht, versucht sie von Anfang an, dich aus dem Haus zu drängen. Das solltest du dir nicht gefallen lassen. Immerhin bist du der Erbe.«
    »Ich hoffe, es lässt sich alles mit meinem Vater unter vier Augen regeln!« Die Aussicht auf eine mögliche gerichtliche Auseinandersetzung mit der Witwe seines Vaters und eventuellen Halbgeschwistern behagte Ernst wenig. Andererseits würde man ihn als Geschäftsmann nicht mehr ernst nehmen, wenn er sich von seinen angeheirateten Verwandten über den Tisch ziehen ließ.

5.
    A m dritten Tag kam die Nachricht aus dem Karmeliterkloster, dass Doktor Luther sich so weit erholt habe, um vor Cajetanus erscheinen zu können. Portikus forderte vehement, der Kardinal solle Gigging und dessen Kriegsknechte schicken, um eine mögliche Flucht des sächsischen Mönchs zu vereiteln. Da Cajetanus jedoch kein Aufsehen erregen wollte, wies er diesen Vorschlag zurück und gab Ernst den Befehl, Luther zu holen.
    Der Weg vom Fuggerhaus zum Kloster Sankt Anna war nicht weit. Als Ernst dort ankam, stand Doktor Luther bereits mit dem Prior
     Johann Frosch und anderen Herren in der Eingangshalle. Er sah erholt aus, wirkte aber so, als ziehe er in einen von vorneherein
     verlorenen Kampf.
    Dennoch lächelte er, als er Ernst begrüßte. »Sei mir willkommen! Mag dieser Tag uns beiden das bringen, was wir uns wünschen!«
    »Das hoffe ich aus ganzem Herzen!« Ernst konnte seine Besorgnis nicht ganz verbergen. Immerhin hatte er Cajetanus und dessen Begleiter mehrere Tage lang belauscht. Nichts von dem, was er vernommen hatte, deutete darauf hin, dass sie bereit waren, Luther auch nur um die Breite eines Fingers entgegenzukommen.
    »Wenn Ihr wollt, können wir gehen!« Etwas anderes fiel Ernst nicht ein. Dabei fand er die Bemerkung so banal, dass er sich dafür schämte.
    »Ich bin bereit!« Luther atmete noch einmal tief durch und setzte sich in Bewegung. Ernst folgte ihm und übernahm auf der Straße die Führung. Die drei Karmelitermönche und die beiden Herren aus Sachsen, die im Auftrag ihres Landesherrn Luthers Begegnung mit Cajetanus beobachten sollten, schlossen sich ihnen an.
    Unterwegs erregte die kleine Gruppe kaum Aufmerksamkeit. Ernst bemerkte jedoch, dass sowohl Christoph Langenmantel wie auch Korbinian Echle in der Nähe des Fuggerhauses standen. Für sein Gefühl sahen die beiden viel zu auffällig zu ihm herüber. Da er nicht den Eindruck erwecken wollte, er sei mit ihnen im Bunde, trat Ernst rasch auf die Tür zu und schlug den Klopfer an. Ein Diener ließ sie eintreten und schloss hinter ihnen wieder zu.
    Jetzt gilt es, dachte Ernst und führte seine Begleiter die Treppe hoch in den Raum, in dem Cajetanus auf sie wartete. Auch hier öffnete ein Diener ihnen die Tür. Der Kardinal saß auf einem Stuhl an einem Tisch, auf dem neben einem Tintenfass und einer Schreibfeder ein Pergament lag, das den bereits vorgefertigten Widerruf enthielt, den Luther nur noch unterschreiben musste. Um Cajetanus herum standen mehrere Kleriker und ein Schreiber,

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