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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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der den Ablauf des Treffens protokollieren sollte. Portikus hielt sich ein wenig im Hintergrund und zog ein langes Gesicht, als hätte Cajetanus ihn eben noch einmal scharf zurechtgewiesen.
    Luther trat mehrere Schritte in den Raum, warf sich der Länge nach auf den Boden und blieb mit seitlich ausgestreckten Armen liegen, so wie es sich für einen schlichten Mönch angesichts eines so hohen Würdenträgers wie des Kardinals geziemte.
    »Steh auf!«, forderte Cajetanus ihn auf.
    Nur langsam erhob sich Luther, vollführte dann aber noch zweimal die demütige Geste, bevor er schließlich vor dem Tisch stehen blieb.
    Cajetanus musterte ihn mit sanfter Miene. »Sei mir willkommen, mein Sohn! Du weißt, du hast gefehlt, doch die Verzeihung der heiligen Kirche ist dir gewiss, wenn du deine Sünden bereust und jenes Pamphlet, das du in Wittenberg verfasst hast, widerrufst! Du musst nur unterschreiben, und ich werde dich als Bruder in Christo an meine Brust drücken.«
    Luther befeuchtete die trockenen Lippen mit der Zunge und hob nun das erste Mal das Gesicht, um Cajetanus anzusehen. »Ich bin gerne bereit, meine Thesen zu widerrufen«, begann er.
    Der Kardinal und die anderen atmeten bereits auf, doch der Mönch sprach weiter. »Ich werde widerrufen, wenn Ihr mir die Stellen in der Heiligen Schrift zeigen könnt, die dem Heiligen Vater in Rom die Macht geben, den Menschen ihre Sünden gegen Geldspenden zu erlassen!«
    »Verfluchter Ketzer!«, fuhr Portikus auf.
    Der Kardinal gebot ihm zu schweigen. »Wir werden niemanden verurteilen, bevor seine Schuld bewiesen ist. Dieser Mönch hat mit seinen Thesen die Autorität des Stellvertreters Christi angegriffen. Doch er wird einsehen, dass er sich irrt. Die Macht des Papstes stammt von unserem Herrn Jesus Christus allein, und er hat jedes Recht, den Gläubigen ihre Sünden zu vergeben.«
    »Mit keinem Wort habe ich je bestritten, dass der Papst als unumschränktes Oberhaupt über die Christenheit gesetzt wurde«, antwortete Luther, um ein gewisses Entgegenkommen zu zeigen. »Ich kritisiere nur, dass unser Heiliger Vater in Rom die Vergebung der Sünden auf den Märkten verkaufen lässt wie Käse oder Brot. In der Heiligen Schrift steht jedoch, dass nur Christus selbst über die Sünder richten und ihnen verzeihen kann!«
    Cajetanus verwies nun auf verschiedene Bullen der Päpste, in denen diese das Ablasswesen für rechtens erklärt hatten, vermochte sein Gegenüber damit jedoch nicht zu überzeugen. Schließlich packte ihn der Zorn. »Widerrufe! Oder Seine Heiligkeit wird dich aus unserer Kirche ausstoßen und dich mit seinem Bann belegen!«
    Bei dieser Drohung erblasste Luther. Ihm war bewusst, dass dieser Bann nicht nur ihn selbst treffen würde, sondern auch jene, die ihn unterstützten. Selbst Kurfürst Friedrich III . von Sachsen konnte es dann kaum noch wagen, sich gegen die Autorität des Papstes zu stellen, zudem dieser den Kaiser hinter sich wusste. Er kniete vor Cajetanus nieder und beugte den Nacken.
    »Euer Eminenz, gestattet mir bis morgen Bedenkzeit.«
    Der Kardinal glaubte, er habe den Mönch auf einen ihm genehmen Weg gebracht, und nickte. »Es sei dir gewährt. Rickinger, führ diesen Mann hinaus und bring ihn zum Kloster zurück.«
    Ernst verbeugte sich und wies den Diener an, die Tür zu öffnen. Während er Luther und dessen Begleiter nach draußen geleitete, fragte er sich, welche Möglichkeiten dem Sachsen noch blieben. Weigerte er sich, zu widerrufen, bedeutete dies den Tod als Ketzer. Eigenartig fand er auch, dass der Kardinal sich auf Luthers Thesen gegen den Ablasshandel beschränkt hatte. Dabei hatte dieser in seinen Schriften die Verderbtheit einiger Teile des Klerus ebenso angeklagt wie die Tatsache, dass viele der geistlichen Würdenträger Pfründe über Pfründe sammelten und diese mehr schlecht als recht durch unzureichend ausgebildete Hilfspfarrer und Kapläne führen ließen. Wie es aussah, wollte Cajetanus jede Diskussion über diese Auswüchse der Kirche vermeiden, um nicht schlafende Hunde zu wecken.
    Doch was würde Luther wecken, wenn er standhaft blieb?, fragte Ernst sich und versuchte, sich die Folgen eines solchen Schritts vor Augen zu führen. Doch seine Phantasie reichte hierfür nicht aus.

6.
    D er nächste Tag brachte keine Änderung der Standpunkte. Luther bat darum, seine Thesen anhand der Heiligen Schrift verteidigen zu dürfen, bekundete aber erneut, die Autorität des Papstes anzuerkennen, wenn es Cajetanus gelänge, seine

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