Die Ketzerbraut. Roman
geprüft, und aus ihnen ging der Betrug einwandfrei hervor. Schuld haben allein dein Vater und das Weib, das er geheiratet hat. Die Bäckerwittib kleidet sich wie eine Dame von Stand und fordert für sich das Recht, noch vor den Frauen der Räte die Kirche betreten zu dürfen. Dein Vater hätte sie, wenn er sie schon heiraten musste, gleich in der Hochzeitsnacht kräftig züchtigen sollen. Vielleicht würde sie sich dann so verhalten, wie Sitte und Brauch es verlangen.«
»Möglicherweise begreift mein Vater jetzt, was er tun muss. Auf jeden Fall werde ich ihm das Geld zukommen lassen, das ihm als lauteren Geschäftspartner und Bevollmächtigen zustände.«
»Er wird dir wenig Dank dafür wissen«, prophezeite der Ratsherr.
»Das mag sein. Doch ich will mich an Sitte und Brauch halten, damit mir niemand etwas vorwerfen kann.«
Arsacius Bart klopfte Ernst auf die Schulter. »Tu es! Dann weiß jeder, dass du ein ehrlicher Handelsmann bist, mit dem man Geschäfte abschließen kann. Deinem Vater wird die Sache schaden, denn wer einmal betrogen hat, muss um seine Reputation fürchten.«
Das war Ernst klar, und er begriff, dass sein Vater ihm auch das anlasten würde. Doch er ging mit einem Achselzucken über diese Erkenntnis hinweg und verabschiedete sich von Bart und den anderen Ratsherren. Als er das Rathaus verließ und über den Schrannenmarkt ging, entdeckte er Veva, die sich eben an einer Metzgerbude eine Bratwurst gekauft hatte und diese genussvoll verspeiste.
»Nun, wie ist es ausgegangen?«, fragte sie Ernst erwartungsvoll. »Ich hoffe, es gab keinen schlimmen Streit, denn ich habe deinen Vater aus dem Rathaus stürmen sehen. Er hat einen Passanten über den Haufen gerannt und ihn dann auch noch fürchterlich beschimpft.«
Ernst blies die Luft aus den Lungen und gab Veva damit einen besseren Einblick in sein Seelenleben als mit vielen Worten. »Der Rat hat meinen Vater aufgefordert, uns das unterschlagene Geld zurückzugeben, sonst käme die Sache vor Gericht. Jetzt bin ich gespannt, ob er einlenkt oder den Streit durchfechten will. Doch wenn der Herzog auf die Sache aufmerksam wird, wird er mehr verlieren als die dreitausend Gulden, die er uns schuldet. Übrigens habe ich mir überlegt, ihm so viel Geld zu geben, wie ihm als ehrlichen Treuhänder zustände. Das wären um die siebenhundert Gulden.«
»Du willst ihm Geld geben, obwohl er uns schamlos betrogen hat?«, fragte Veva verwundert.
»Es geht mir um die Leute. Man soll sehen, dass wir keinen Streit mit ihm wollen.«
Diesem Argument konnte Veva sich nicht entziehen. Daher nickte sie, steckte das letzte Stück Bratwurst in den Mund und hakte sich, noch auf beiden Backen kauend, bei ihrem Mann unter.
»Du hast recht«, sagte sie, als sie den Bissen geschluckt hatte. »Ein Handelsmann lebt von seinem Ansehen und seinem Ruf! Daher dürfen wir uns auch deinem Vater gegenüber nichts zuschulden kommen lassen.«
»Beinahe noch mehr als der Betrug ärgert es mich, dass nun die Mitglieder des Inneren Rates die Bücher unseres Handelshauses bis auf das letzte Komma kennen.«
»Wirklich?«, fragte Veva leicht amüsiert. »Immerhin hat mein Vater seine Augsburger Beteiligungen nicht in diese Rechnungsbücher eingetragen. Für die gibt es nur einen von Jakob Fugger unterzeichneten Pfandbrief, und den haben wir in seinem Kontor gefunden.«
»Gerade wegen dieser Summe müssen wir achtgeben, dass nicht plötzlich Geld von außen in das Handelsgeschäft fließt und die hohen Herren vom Rat sich fragen, woher es stammt. Sie könnten nämlich auf den Gedanken kommen, wir hätten es bei der Steuerfestsetzung verheimlicht, und dann stehe ich als Beschuldigter vor dem Rat.«
Ernst hatte erst an diesem Tag begriffen, dass die Geschäfte hier in München zu einem Tanz auf dem Seil werden würden, bei dem er sich keinen Fehler erlauben durfte. Auch wenn der Rat viele Probleme unter der Hand zu lösen versuchte, so war es dem Herzog zuzutrauen, dass er auf einem Gerichtsurteil bestand, um eine hohe Geldstrafe einstreichen zu können.
Das war Veva eigentlich schon länger klar, aber sie machte sich weniger Sorgen. Ernst war in ihren Augen gewitzt genug, mit diesen Problemen zu Rande zu kommen. Im Augenblick beschäftigte sie eine andere Frage. »Cilli hat erzählt, mein Vater sei kurz vor seinem Tod noch einmal aus seinem Fieber erwacht und habe unbedingt noch einen Brief schreiben wollen, ohne diesen jedoch vollenden zu können.«
»In dem angefangenen Brief war nur
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