Die Ketzerbraut. Roman
sich entschlossen hatte, nach Innsbruck zu reiten, wollte er die Reise so rasch wie möglich antreten. Zwar bedauerte er, sich so bald schon von Veva trennen zu müssen, doch er wollte ihr beweisen, dass sie die Heirat mit ihm auch in geschäftlicher Hinsicht nicht bereuen musste. Zudem wusste er nicht, ob sein Vater Vereinbarungen mit Antscheller getroffen hatte, und daher drängte es ihn, so schnell wie möglich vor Ort zu sein, um falsche Entscheidungen korrigieren zu können.
Veva verstand seine Beweggründe und versuchte, sich zusammenzunehmen. Aber als Ernst zusammen mit dem Knecht Sepp aufbrach, tat ihr das Herz weh. Sie lief noch etliche Schritte neben seinem Pferd her und krallte ihre Finger in den dicken Stoff des Mantels, mit dem er sich gegen die Kälte und den leichten Schneefall gewappnet hatte.
»Gib auf dich acht!«, bat sie ihn.
»Darauf kannst du dich verlassen. Und du pass ebenfalls auf dich auf! Denke daran, du bist nicht mehr nur für dich, sondern auch für unser Kind verantwortlich!«
Seine Fürsorge tat Veva gut. Sie begriff, dass er auch an Rosi dachte, die ihr Kind verloren hatte und sich deswegen immer noch grämte. Dabei wäre es für die Magd eher eine Last denn ein Segen gewesen. Für sie selbst war die Vorstellung, ihr Kind zu verlieren, so schrecklich, dass sie beschloss, noch an diesem Tag der Heiligen Jungfrau eine Kerze zu weihen und eine weitere dem heiligen Christophorus, damit dieser ihren Mann auf der Reise beschützte.
Erst kurz vor dem Isartor ließ sie seinen Mantel los und blieb zurück. Ernst drehte sich noch einmal im Sattel um und winkte ihr zu. Dann trabte er zur Stadt hinaus und verschwand samt dem Knecht im Schneegestöber.
Veva wäre es lieber gewesen, ihr Mann hätte sich einer größeren Gruppe angeschossen. Doch Ernst war nicht bereit gewesen zu warten, bis sich zu dieser Jahreszeit weitere Reisende auf den Weg nach Süden machten.
Auf dem Heimweg begegneten ihr drei Reiter, die sich in weite Kapuzenmäntel gehüllt hatten und ihr dennoch bekannt vorkamen. Es waren jedoch keine Münchner. Veva versuchte, ihrem widerstrebenden Kopf eine Erinnerung abzuringen, doch wie schon einige Male zuvor gelang es ihr nicht.
18.
Z unächst kamen Ernst und sein Knecht gut voran. Um München herum wurden die wichtigsten Handelswege vom Schnee geräumt, und sie konnten hoffen, dass dies bis in die Berge hinein geschah. Da Ernst die Pferde nicht zu sehr anstrengen wollte, schlug er ein gemächliches Tempo ein und nahm sich vor, frühzeitig einzukehren, um nicht in die Nacht reiten zu müssen. Bald schon bedauerte er, Sepp mitgenommen zu haben und nicht den Schwab. Dieser war immer fröhlich und hätte ihn mit unbeschwerten Geplauder unterhalten. Doch Sepp brachte kaum den Mund auf und ließ sich zudem anmerken, wie sehr es ihm missfiel, sich der Kälte und dem Wind aussetzen zu müssen.
Man merkt, dachte Ernst, dass mein Schwiegervater in den letzten Jahren keine Reisen mehr unternommen hat. Sonst wäre der Knecht daran gewöhnt gewesen. Er hatte jedoch wenig Lust, Sepp zur Ordnung zu rufen, sondern ließ seine Gedanken schweifen. Im letzten halben Jahr hatte sich in seinem Leben vieles geändert. Er war verheiratet, würde bald Vater werden und führte zudem sein eigenes Handelshaus. Gleichzeitig hatte sein Vater das Band zwischen ihnen, das schon immer arg dünn gewesen war, endgültig durchtrennt. Er empfand eine gewisse Trauer, war aber überzeugt, richtig gehandelt zu haben.
»Wollen wir nicht bald irgendwo einkehren und uns aufwärmen, Herr?«, ließ Sepp sich vernehmen.
»So lange sind wir doch noch nicht unterwegs«, antwortete Ernst, blickte aber zum Himmel. Die graue Wolkendecke ließ keinen Sonnenstrahl durch und hüllte das Land in Düsternis. Da die Landschaft ganz anders aussah als zwischen Frühling und Herbst, konnte er nicht erkennen, wie weit sie gekommen waren. Deswegen fragte er im nächsten Dorf einen Bauern, der vor seiner Hütte Holz hackte, welchen Namen der Ort trug.
Die Antwort verriet ihm, dass sie kaum mehr als die Hälfte der geschätzten Strecke zurückgelegt hatten. Dennoch lenkte er sein Pferd zum nächsten Gasthof und befahl den Knechten, sich um die Tiere zu kümmern. Er trat mit Sepp zusammen in die Gaststube und bestellte zwei Becher Würzwein und zwei Näpfe des über dem Feuer köchelnden Eintopfs für sich und seinen Begleiter.
Die Wirtin war durchaus ansehnlich, und noch vor einem Jahr hätte Ernst versucht, mit ihr zu tändeln.
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