Die Ketzerbraut. Roman
von Haselegner die Rede. Vielleicht hatte er mit ihm ein Geschäft abgeschlossen, das nicht in den Büchern steht, und wollte es uns mitteilen.« Ernsts Mutmaßung klang schlüssig, doch Veva kannte ihren Vater. »Er hat niemals Geschäfte mit Haselegner gemacht, obwohl mein Bruder ihn mehrfach dazu gedrängt hat.«
»Bartl war Benedikts Freund, genau wie ich. Aber ich hätte Haselegner auch nicht zu meinem Geschäftspartner gemacht.«
Ernst dachte an die Zeiten, in denen Vevas Bruder und er mit Benedikt Haselegner herumgezogen waren. Benedikt war der Älteste von ihnen gewesen und damit auch ihr Anführer. Doch wenn sie in ihrem Übermut etwas angestellt hatten, war es diesem meist gelungen, sich aus der Sache herauszuwinden und ihn und Bartl als Schuldige dastehen zu lassen. Damals hatte er sich wenig dabei gedacht, aber nun fragte er sich, ob Haselegner als Geschäftspartner zuverlässiger war denn als Jugendfreund. Immerhin hatte er Dinge gesehen und erfahren, die diesen in keinem guten Licht zeigten.
Er atmete tief durch und sah Veva auffordernd an. »Wir werden suchen müssen, ob wir irgendwelche Unterlagen finden, die Licht in dieses Dunkel bringen können. Das wird vor allem deine Aufgabe sein, denn du kennst das Gebäude und weißt, wo dein Vater etwas verborgen haben könnte. Ich werde erst einmal dafür sorgen, dass der Handel wieder anläuft. Wahrscheinlich werde ich in der nächsten Zeit nach Augsburg reisen müssen, um mich mit Jakob Fugger zu beraten. Da man hier zu viel über uns weiß, sollten wir unsere Geschäfte noch stärker über Augsburg laufen lassen.«
»Das halte ich ebenfalls für besser. Ach, es ist schon seltsam! Obwohl ich in München aufgewachsen bin und Augsburg nur ein paar Wochen lang kennengelernt habe, würde ich lieber dort leben als hier.«
Veva wunderte sich über sich selbst. Eigentlich gab es keinen Grund, München zu verlassen. Das Gerede um den Mord an ihrem Bruder und ihre Gefangenschaft bei den Räubern war längst verstummt, und die Ehefrauen der Patrizier und Fernhandelskaufleute hatten sie nach ihrer Heirat sofort in ihren Kreis aufgenommen. Allerdings fragte sie sich, ob die Frauen nur ihrer Stiefschwiegermutter einen Tort hatten antun wollen. Der Bäckerin, wie Susanne trotz ihrer Heirat mit Ernsts Vater immer noch genannt wurde, zeigten die Damen deutlich, dass sie von ihnen nicht als gleichrangig anerkannt wurde.
Ernst beschäftigte sich ebenfalls mit Augsburg, aber er wollte dort nur ein Kontor einrichten, seine Geschäfte aber weiter von München aus betreiben. Er würde jedoch sehr vorsichtig zu Werke gehen müssen, damit dies nicht bekannt wurde, denn in seiner Geldgier schreckte der bayrische Herzog vor keinem Winkelzug zurück.
Während er Veva nach Hause führte, blickte er sie immer wieder von der Seite an, um auf angenehmere Gedanken zu kommen, und sagte sich zum wiederholten Mal, dass er mit ihr auf jeden Fall einen weitaus besseren Fang gemacht hatte als sein Vater mit seiner Bäckerin.
16.
I n den nächsten Tagen durchsuchte Veva alle Verstecke, die sie im Haus, im Stall und in dem Gebäude kannte, in dem die weniger wertvollen Waren zwischengelagert wurden. Doch sie entdeckte nicht den geringsten Hinweis darauf, aus welchem Grund ihrem Vater noch in seinen letzten Minuten der Name Haselegner so wichtig gewesen war. Dafür aber fand sie etliche Dinge, die sie und Bartl als Kinder verborgen hatten, und brach immer wieder in Tränen aus.
Wie schön wäre es, dachte sie, wenn ihr Bruder noch lebte. Dann könnte Bartl hier in München das Handelshaus führen, während Ernst und sie in Augsburg wohnen und wirken würden. Erst in diesem Moment fiel ihr ein, dass sie ohne den Mord an ihrem Bruder die Frau Friedrich Antschellers geworden wäre und nun Innsbruck ihre Heimat wäre. Der Gedanke ernüchterte sie. Sie hatte sich so an Ernst gewöhnt, dass sie sich nicht vorstellen konnte, mit einem anderen Mann verheiratet zu sein. Nun fragte sie sich, ob Glück immer nur mit Leid erkauft werden konnte. Mit einem Seufzen legte sie ihre Funde wieder an die Stellen, an denen sie sie entdeckt hatte, und wollte weitersuchen. Ein Hungeranfall veranlasste sie jedoch, zunächst in die Küche zu gehen. Dort schnitt sie sich ein Stück Schinken ab, setzte sich auf einen Stuhl und begann zu kauen.
»Gleich gibt es Mittagessen«, tadelte Cilli sie.
»Ich habe aber jetzt Hunger«, antwortete Veva gelassen und spülte den Schinken mit einem Becher Bier
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