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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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möglichst auch eine Kleinigkeit essen.«
    Die Hebamme hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da rannte die alte Magd auch schon los und kehrte kurz darauf mit Kleidung für Veva zurück. Außerdem brachte sie ein Laken, mit dem sie die junge Frau abtrocknen konnten.
    Kurz darauf saß Veva am Tisch und kämpfte erneut mit den Tränen. Da schob Kreszenz ihr ein Brettchen mit Wurst und Käse hin und schnitt ihr ein Stück Brot ab. »Iss! Dein Kleines braucht das jetzt. Es ist nicht weniger erschrocken als du.«
    »Ich kann nichts essen«, flüsterte Veva, der sich allein bei dem Gedanken der Magen umdrehte.
    »Man kann vieles, wenn man will«, beharrte Kreszenz.
    Zögernd streckte Veva die Hand aus, nahm ein Stückchen Wurst und steckte es in den Mund. Sie glaubte, es müsste nach allem, was geschehen war, nach Asche schmecken, doch seltsamerweise empfand sie keinen Widerwillen. Dem ersten Stück folgten weitere, und schließlich legte ihr Kreszenz anerkennend den Arm um die Schulter.
    »So ist es richtig! Du benötigst jetzt doppelt so viel Kraft, einmal für die Trauer um deinen Mann und zum anderen für dein Kind.«

6.
    O bwohl Kreszenz ihr einen beruhigenden Extrakt aus Baldrian und Hopfen eingeflößt hatte, dauerte es lange, bis Veva einschlief. Sie träumte von Ernst, der lächelnd neben ihr Bett trat und ihr sagte, wie sehr er sich auf seine Tochter freue. Der Traum war so intensiv, dass Veva am nächsten Morgen noch den Druck seiner Hand auf ihrer Rechten zu spüren glaubte. Von dieser Stunde an war sie sicher, ein Mädchen zur Welt zu bringen. Ein wenig bedauerte sie es, dann sie hätte Ernst als letzten Dienst gerne einen Sohn geschenkt. Aber sie nahm sich vor, die Kleine ungeachtet ihres Geschlechts zu lieben und sie zu einer schmucken Jungfer zu erziehen, auf die ihr Vater stolz sein konnte.
    Der Traum hatte ihr Kraft verliehen, und so konnte sie nicht nur mit Hochwürden Eisenreich reden, der in eigener Person kam, um sie zu trösten, sondern anschließend auch die Geschäftsbriefe durchsehen, die ihr Lina ans Bett brachte. Kreszenz’ Standpauke hatte ihr bewusst gemacht, dass sie es ihrem toten Mann schuldig war, ihm nicht nur eine gesunde Tochter zu gebären, sondern auch ihr Vermögen zusammenzuhalten, um es einmal ungeschmälert ihrem Kind hinterlassen zu können.
    Noch während sie die Korrespondenz durchging, klopfte es an die Tür, und der Schwab steckte den Kopf herein. Er hatte erst am Abend von Vevas Problemen erfahren und schämte sich nun, weil er nicht im Haus gewesen war, um ihr zu helfen. »Ihr habt Besuch, Herrin, und Ihr werdet nicht glauben, wer da gekommen ist.«
    »Wer will mich in meiner Trauer stören?«, fragte Veva ärgerlich.
    »Euer Schwiegervater mitsamt seiner Frau. Sie stehen unten und wollen unbedingt mit Euch reden.«
    Am liebsten hätte Veva dem Knecht aufgetragen, Eustachius Rickinger und seine Bäckerin wegzuschicken. Doch er war nun einmal Ernsts Vater und würde durch ihr Kind bald Großvater werden.
    »Schicke mir Lina und eine der Mägde herauf, damit sie mir beim Ankleiden helfen, und führe unsere Gäste ins Kontor. Ich will sie nicht hier im Bett empfangen!«
    »Ins Kontor?«, fragte der Schwab ungläubig. Private Besucher wurden normalerweise in die gute Stube gebracht, während Geschäftspartner und Bittsteller sich mit einem Gespräch im Kontor zufriedengeben mussten.
    Während der Knecht ging, um seinen Auftrag auszuführen, stand Veva auf und begann sich anzuziehen. Währenddessen hinterfragte sie ihren spontanen Entschluss, und ihr wurde klar, dass sie diese Verwandten wirklich nicht im besten Raum des Hauses sehen wollte. Dafür hatte sie sich zu sehr über den alten Rickinger geärgert. Auch von diesem Besuch erwartete sie nichts Gutes und überlegte, vor welchen Übergriffen sie sich hüten musste.
    Linas Eintreten unterbrach ihren Gedankengang. Sie ließ sich von der Magd helfen, ihr Gewand zu schnüren, stieg dann nach unten und betrat das Kontor. Kurz darauf führte der Schwab Eustachius Rickinger und die Bäckerin in den Raum.
    Ernsts Vater eilte auf Veva zu und fasste nach ihrer Hand. »Wir haben es eben erfahren. Ernst soll tot sein! Was für ein Unglück aber auch. Ich weiß, wir hatten einen kleinen Zwist, doch angesichts seines Todes ist das vergessen. Du kannst dich jederzeit auf mich verlassen! Ich werde euren Handel weiterführen und alles für dich tun. Am besten, du ziehst zu uns ins Haus. Mein Weib wird dir eine treue Freundin sein. Ihr

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