Die Ketzerbraut. Roman
könnt dann beide in aller Ruhe dem Tag eurer Niederkunft entgegensehen, und du brauchst dir keine Sorgen mehr um die Zukunft zu machen.«
»Ich freue mich darauf, dich als Hausgenossin begrüßen zu können.« Mit einem Augenaufschlag, der wohl Mitgefühl ausdrücken sollte, schlang Susanne die Arme um ihre Stiefschwiegertochter und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Veva ekelte sich vor der Frau und widerstand nur mit Mühe dem Wunsch, sich mit dem Ärmel über das Gesicht zu reiben.
Stattdessen schenkte sie ihrem Schwiegervater und dessen Frau einen kühlen Blick. »Ernst mag tot sein, doch das ist weder ein Grund, mein Elternhaus zu verlassen, noch, meinen Handel aus der Hand zu geben.«
Über Rickingers Gesicht zog ein unwirscher Ausdruck. »Willst du das Geschäft deines Vaters zugrunde gehen lassen? Du hast doch niemanden, der den Handel für dich betreiben kann. Also werde ich das übernehmen. Es ist doch nur zu deinem Besten!«
»Warum sollte ich Euch diesmal vertrauen? Ihr habt schon zweimal versucht, mich zu betrügen!« Veva spürte, dass Rickingers Trauer um den Sohn weitaus geringer war als sein Wunsch, sich zum Herrn ihres Handelshauses aufzuschwingen.
Inzwischen ließ Susanne ihre Blicke flink durch den Raum wandern. »Wir sollten einen Teil der Möbel hier zu uns holen, damit Veva sich heimischer fühlt«, sagte sie zu ihrem Mann.
»Die Sachen bleiben da, wo sie sind!«, entgegnete Veva scharf. Ihr war klar, dass es der Bäckerin nur darum ging, ihr eigenes Heim noch prachtvoller einzurichten. Auch würde Susanne jeden Gegenstand, der von hier in die Schmalzgasse gebracht wurde, als ihr Eigentum betrachten.
»Du bist nicht bei Sinnen, Kind! Das ist nach diesem schweren Verlust auch verständlich. Aber das Leben und das Geschäft müssen weitergehen. Komm, gib mir das Rechnungsbuch und die anderen Unterlagen, damit ich unseren Partnern von Ernsts Tod berichten und ihnen schreiben kann, dass ich ab jetzt das Handelshaus führe.« Ohne eine Antwort abzuwarten, griff Rickinger nach dem Buch und wollte es an sich nehmen.
Doch Veva hielt es fest. »Dies hier ist immer noch mein Haus und mein Geschäft! Ihr wärt der Letzte, dem ich beides ausliefern würde.«
Rickinger versuchte nun, ihr das Buch zu entwinden. So viel Frechheit erboste Veva, und sie rief laut nach dem Knecht. »Schwab, komm und hilf mir! Man will mich berauben.«
»Unsinn! Ich will dich doch nur unterstützen«, schnaubte Ernsts Vater, ohne seinen Griff zu lockern.
»Ihr helft mir am besten, wenn Ihr jetzt geht! Mein Schmerz ist zu groß, als dass ich Besuch ertragen könnte.« Mit einem letzten, heftigen Ruck brachte Veva das Rechnungsbuch an sich und drückte es gegen die Brust.
Als Rickinger noch einmal danach greifen wollte, drängte der Schwab ihn zurück. »Ihr habt gehört, was meine Herrin gesagt hat. Sie wünscht, allein zu sein. Also kommt ein andermal wieder.«
»Am besten gar nicht mehr«, murmelte Veva laut genug, dass ihre Besucher es hören konnten.
»Was für eine Unverschämtheit! Da kommt man mit den besten Absichten und muss sich so etwas gefallen lassen.« Susanne ließ den letzten Funken Freundlichkeit fahren und schimpfte wie ein Rohrspatz, während Rickinger dem Schwab, der ihn zur Tür drängte, damit drohte, er werde ihn vor Gericht bringen, weil er es gewagt hatte, die Hand an einen Bürger zu legen.
»Auch als Bürger habt Ihr nicht das Recht, im Haus meiner Herrin zu bleiben, wenn sie das nicht will«, antwortete der Schwab ungerührt und gab Susanne einen Wink. »Was ist, Bäckerin? Willst du nicht mitkommen?«
»Du Lump! Ich bin die ehrengeachtete Ehefrau des Kaufherrn Eustachius Rickinger. So hast du mich auch anzusprechen.« Ehe der Knecht sich versah, hob Susanne die Hand und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
Empört sprang Veva auf. »Das ist genug! Raus jetzt, oder ich lasse die Stadtknechte holen.«
Bei dieser Drohung zuckten ihre aufdringlichen Besucher zusammen. Dennoch drehte Rickinger sich noch einmal um und drohte ihr mit der Faust. »Noch ist das letzte Wort zwischen uns nicht gesprochen. Du wirst mir noch dankbar sein, wenn ich dir helfe. Allein gehst du nämlich auf den Gant!«
»Habt Dank für Eure freundlichen Wünsche.« In dem Augenblick schwor Veva sich, alles zu tun, um das Handelshaus Leibert mit Erfolg fortzuführen, und wenn sie dafür ihre Seele dem Teufel verschreiben müsste.
Sie war so wütend über die Dreistigkeit, die ihr Schwiegervater und dessen Frau
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