Die Ketzerbraut. Roman
an den Tag legten, dass sie innerlich zitterte. Aus Angst, dies könnte ihrem ungeborenen Kind schaden, zog sie sich in ihre Kammer zurück und legte sich hin. Doch sie beruhigte sich erst, als Cilli ihr ein in den Absud aromatischer Kräuter getauchtes Tuch auf die Stirn legte, und vermochte schließlich einzuschlafen.
7.
A ls Veva erwachte, war es beinahe Abend. Zu ihrer Erleichterung fühlte sie sich besser. Zwar spürte sie die Trauer um ihren Mann wie einen unauslöschlichen Schmerz in ihrem Herzen, doch sie war in der Lage, aufzustehen, ins Kontor hinabzusteigen und ihre Briefe fertigzuschreiben. Danach brachte sie das Rechnungsbuch auf den neusten Stand, schloss es mit einem Seufzer und fragte sich, wie sie weiter vorgehen sollte. In dem Augenblick kündete der Schwab ihr den nächsten Besucher an. Der Miene des Knechts entnahm sie, dass auch dieser Gast nicht nach seinem Geschmack war.
»Wer ist es?«, fragte sie in der Hoffnung, den Besucher wegschicken zu können.
»Haselegner. Er sagt, er muss unbedingt mit Euch reden.«
Veva überlegte, den Kaufmann zu bitten, ein andermal wiederzukommen. Doch da er ihren toten Mann aus den Bergen gebracht hatte, fühlte sie sich ihm verpflichtet. Außerdem war da noch der unvollendete Brief ihres Vaters, in dem der Name Haselegner eine Rolle gespielt hatte.
»Führe ihn herein – oder nein, bring ihn in den Raum, in dem Ernst und ich immer gegessen haben.« Nach den Erfahrungen mit ihrem Schwiegervater wollte sie niemanden mehr in ihrem Kontor empfangen und begab sich daher in die recht einfach ausgestattete Kammer, bevor der Schwab mit dem Besucher erschien.
Haselegner trat mit wahrer Leidensmiene ein und blieb mit hängenden Schultern vor ihr stehen. »Ich wäre gerne eher zu dir gekommen, denn du brauchst einen Mann, der dir hilft und deinen Handel für dich führt«, erklärte er mit brüchiger Stimme. »Doch leider hat mich heute eine Nachricht erreicht, die mich bis ins Mark erschüttert. In Innsbruck ist mein geliebtes Weib während meiner Abwesenheit von Gott, unserem Herrn, in sein himmlisches Paradies heimgeholt worden. Ich stehe daher als Witwer vor dir, so wie du Witwe bist.«
Hatte Veva einen Augenblick Mitgefühl verspürt, stellten sich ihr bei seinen letzten Worten innerlich die Stacheln auf. Der Hinweis, dass sie nun beide verwitwet seien, war zu deutlich. Schon früher hatte Haselegner um sie geworben, war aber von ihrem Vater mehrfach abgewiesen worden. Der Mann mochte in dem beinahe gleichzeitigen Ableben ihrer Ehepartner ein Zeichen des Himmels sehen, der sie zusammenführen wollte, doch ihre Trauer um Ernst war noch viel zu frisch, um einen Gedanken an eine weitere Ehe zu verschwenden.
»Ich trauere mit Euch, Haselegner. Es ist nie leicht, sein Lebensglück zu verlieren.« Es klang ein wenig kühl, doch mehr Anteilnahme vermochte Veva nicht aufzubringen.
»Ob wir wirklich unser Lebensglück verloren haben, muss sich noch zeigen«, widersprach er. »Zwar sind mein Weib und dein Mann tot, doch wir zwei leben noch, und wir sollten uns gegenseitig trösten. Wie ich schon sagte, benötigt dein Handel eine leitende Hand, und dazu bin ich gerne bereit.«
»Für dein Angebot, mir zu helfen, danke ich dir! Ich werde bei Gelegenheit darauf zurückkommen. Doch Trost vermag mir derzeit niemand zu spenden. Nur im Glauben liegt Hoffnung, daher werde ich morgen zu unserem Hochwürden gehen und Seelenmessen für meinen Mann bestellen.«
»Tu das! Ich mache es auch für meine Johanna, auf dass unser Herr Jesus Christus sie ins himmlische Paradies führt. Wenn du willst, kann ich beides veranlassen. Dann musst du nicht extra aus dem Haus.«
Vevas Ärger wuchs. Ebenso wie ihr Schwiegervater war auch Haselegner mit dem Hintergedanken gekommen, sie zu bevormunden. Beide wollten sie von sich abhängig machen, um mit ihrem Vermögen tun und lassen zu können, was ihnen beliebte. Doch damit würde sie das Andenken an ihren Ehemann mit Füßen treten. Ihr Besitz sollte, soweit sie ihn zu erhalten vermochte, an das Kind übergehen, das sie unter dem Herzen trug.
Daher schüttelte sie den Kopf. »Dies ist meine Aufgabe! Jetzt bitte ich dich, mich allein zu lassen. Der Schmerz um meinen Mann ist zu groß, als dass ich andere Menschen lange ertragen könnte.«
Auf Haselegners Gesicht erschien ein Ausdruck ungezügelter Wut. Seines Wissens war Veva von ihrem Vater gezwungen worden, Ernst Rickinger zu heiraten. Von Zuneigung oder gar Liebe konnte zwischen den
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