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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Menschen ansehen.«
    »Du Armer!« Rosi dachte keinen Augenblick an die Gefahr, die ihr selbst drohte, sondern sah mit Schrecken den Tag heraufziehen, an dem die Augsburger Stadtknechte ihren Mann in Auftrag des Freisinger Bischofs verhaften und einsperren würden. »Schreibe an Ernst Rickinger. Vielleicht hilft er uns«, schlug sie vor.
    Hilarius schüttelte den Kopf. »Fünfhundert Gulden sind sehr viel Geld, meine Liebe. So weit geht auch Ernst Rickingers Wohltätigkeit nicht. Daher werde ich jeden Pfennig sparen, den ich erübrigen kann. Vielleicht gibt sich der Bischof ja auch mit weniger zufrieden, so dass ich den Dispens irgendwann bezahlen kann. Bis dorthin müssen wir unserem guten Stern vertrauen und auf den Rat der Stadt Augsburg. Hoffen wir, dass die Ratsherren Philipp von Freisings Aufforderung, mich auszuliefern, erst einmal ablehnen werden. Allerdings wird der Rat sich wohl kaum wegen eines davongelaufenen Mönchs auf einen offenen Zwist mit Bischof Philipp einlassen.«
    »Versprichst du mir, dass du, wenn es hart auf hart kommt, die fünfhundert Gulden von dem dir anvertrauten Geld nimmst und den Dispens bezahlst? Ich werde mich Ernst Rickinger vor die Füße werfen und ihn anflehen, es zu verstehen und uns zu erlauben, diese Schuld bei ihm bis zum Ende unseres Lebens abzutragen.« Rosi fasste die Hände ihres Mannes und küsste sie. »Ich liebe dich und will dich nicht verlieren!«
    »Du liebst mich wirklich?« Hilarius zog sie an sich und hielt sie fest. »Ja, mein Liebes, ich werde es tun. Aber nur, wenn es nicht mehr anders geht. Dann aber werden wir uns beide vor Ernst Rickinger und seinem Weib niederwerfen und schwören, ihnen zu dienen, bis Gott, der Herr, uns von dieser Welt abberuft.«
    Hilarius wusste selbst nicht, ob er es nur gesagt hatte, um Rosi zu beruhigen, oder ob er tatsächlich bereit war, Geld zu unterschlagen, um diese Last aus seinem früheren Leben loszuwerden. Denn wenn Ernst Rickinger ihn des Diebstahls anklagte, waren die Folgen nicht weniger schlimm, als wenn er in die Hände des Bischofs geriet.
    Trotzdem hatte ihm das Gespräch mit Rosi gutgetan. Sie war der erste Mensch, der wahres Verständnis für ihn zeigte. Seine Eltern hatten ihn der Familientradition folgend im Alter von fünf Jahren in ein Kloster gegeben, und dieses hatte er erst verlassen dürfen, als er alt genug war, Theologie zu studieren. Nach seiner Priesterweihe war er nach Rom gepilgert, um am Grab der heiligen Apostel Petrus und Paulus zu beten, und dort war er dem Wittenberger Mönch Martin Luther begegnet, der derzeit den Bischöfen und dem Papst so viele Schwierigkeiten bereitet. Er selbst hatte sich wenig Gedanken über den rechten Glauben gemacht, sondern sich mit anderen Priestern und Mönchen einem liederlichen Lebenswandel ergeben. Mittlerweile war ihm jedoch klargeworden, wie verderbt die Kirche an etlichen Gliedern war, und nun strebte er danach, Luthers Thesen und Schriften selbst zu lesen. Er bereute jetzt, damals nicht mit dem Mönch aus Wittenberg gesprochen zu haben. Vielleicht wäre sein Leben dann anders verlaufen. Doch da stieg Rosis Bild in seinen Gedanken auf, und er war froh um die Liebe, die sie einander schenkten.

10.
    D ie Liebe seiner Frau und sein neu erwachtes Interesse an der Religion halfen Hilarius, sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Gleichzeitig arbeitete er eifriger denn je für Ernst, von dessen Tod er noch nichts wusste, und für Veva. Wenn er wirklich deren Geld brauchte, um sich von dem Freisinger Bischof freizukaufen, musste er eine Reihe von Erfolgen vorweisen können, um sie milde zu stimmen.
    Da der größte Teil des Handels über Fugger lief und die Waren auch dort und nicht in Ernsts und Vevas Haus gestapelt wurden, hielt Hilarius sich mindestens ein Mal am Tag für einige Stunden im Fuggerhaus auf. Meist hatte er es nur mit nachrangigen Kommis zu tun, doch als er am Morgen nach jenem Gespräch mit Rosi das Haus durch den Dienstboteneingang betrat, wartete ein Lakai auf ihn.
    »Der Herr will dich sprechen!«
    »Fürst Fugger persönlich?« Hilarius spürte, wie ihm die Knie nachgaben. Jakob Fugger war der Herr eines Handelsimperiums, das seinesgleichen suchte. Wenn dieser Mann jemanden wie ihn zu sich rief, verhieß das selten etwas Gutes. Daher folgte er dem Diener mit bangem Herzen in Fuggers Privaträume.
    Der Kaufherr saß, in einen pelzbesetzten Mantel gehüllt, an seinem Tisch und las. Als Hilarius einige Schritte entfernt stehen blieb, hob er den

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