Die Ketzerbraut. Roman
sollte die Herrin diesem Mann nicht begegnen.«
»Und das soll ich dir glauben?« Die Alte schnaubte verächtlich und wollte gehen, um Veva zu informieren.
Doch der Schwab hielt sie fest. »Wenn du mir nicht glauben willst, dann schau dir das an!« Mit diesen Worten zerrte der Schwab sein Hemd aus der Hose und zeigte auf die weiße Narbe auf dem Bauch. »Die habe ich dem Haselegner zu verdanken, als ich dem alten Leibert gegen ihn habe beistehen müssen. Er wollte Vevas Vater dazu zwingen, das Verlöbnis mit Ernst aufzulösen und sie mit ihm zu verheiraten. Übrigens hat er sie auch gleich, nachdem er sie aus der Gewalt der Räuber befreit hatte, heiraten wollen.«
Lina rieb sich die Nase. »Das ist seltsam. Damals haben alle gedacht, sie wäre von den Schurken geschändet worden. Rickinger wollte doch mit Ernsts Heirat warten, bis es sicher ist, ob sie ein Kind kriegt oder nicht. Und da sagst du, den Haselegner hätte dies nicht gekümmert?«
»Anscheinend nicht«, gab der Schwab zurück. Auch er wunderte sich nachträglich, doch schrieb er es Haselegners Gier zu, Veva zu besitzen. Oder war er von Anfang an nur hinter deren Erbe her gewesen?, fragte er sich, fand aber keine Antwort darauf.
Auch Lina gingen etliche Gedanken durch den Kopf. Hatte Veva damals nicht behauptet, ihr wäre durch die Räuber nichts geschehen? Und hatte die Hebamme Kreszenz letztens nicht auch erzählt, Veva sei noch als Jungfrau aus der Hand ihrer Entführer gerettet worden? Hatte Haselegner das etwa gewusst? Immerhin hatte er sie gefunden. Andererseits konnte Lina sich erinnern, dass ausgerechnet dieser Mann das Gerücht von Vevas Vergewaltigung in der Stadt verbreitet hatte. War dies nur geschehen, um die Heirat mit Friedrich Antscheller zu verhindern und andere Bewerber abzuschrecken?
»Heilige Maria, Mutter Gottes, hilf uns!«, betete sie, da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte.
Der Schwab aber war nicht bereit, es beim Beten bewenden zu lassen, sondern kehrte sogleich zu Veva zurück, um ihr von dem Gespräch mit Haselegner zu berichten.
15.
D as nächste Mal wurde der Kübel gewechselt, während Ernst schlief. Zwar hörte er noch, wie außen die Riegel wieder vorgeschoben wurden, doch als er zur Tür lief, mit den Fäusten dagegenschlug und verzweifelt flehte, die Männer sollten doch antworten, bekam er wieder nur das hämische Lachen zur Antwort. Weinend sank er auf sein Strohlager und verfluchte sich selbst, weil er nicht rasch genug aufgewacht war, um mit seinen Bewachern reden zu können. Nun musste er erneut warten, bis sie seinen Kerker betraten.
Dann aber durchzuckte ihn ein anderer Gedanke. Vielleicht war es falsch, um Hilfe zu bitten, wenn die Männer zu dritt waren. Da würden sie schon aus Angst, einer ihrer Kumpane könnte sie verraten, nicht mit sich reden lassen. Doch was war mit dem Mann, der ihm jeden Morgen das Essen in die Zelle stellte? Er nahm zwar an, dass dieser das besondere Vertrauen seines Anführers genoss, aber das Versprechen einer größeren Geldsumme konnte auch die Treue dieses Mannes ins Wanken bringen. Immerhin waren die Leute hier allesamt Schurken und nur auf ihren Vorteil bedacht.
Aus diesem Grund änderte Ernst seine Taktik und wartete auf den Augenblick, in dem ihm das Essen hereingestellt wurde. Schritte, die sich der Tür näherten, erhöhten seine Anspannung. Dann wurde die kleine Klappe geöffnet, eine Hand erschien und packte den Napf, der direkt davorstand.
»Bei der Liebe unseres Herrn Jesus Christus, ich will mit dir sprechen. Bitte antworte mir!«, flehte Ernst den Unbekannten an.
Ein Knurren erklang, dann die Frage, die Ernst innerlich aufjubeln ließ. »Was willst du von mir?«
»Kannst du mir helfen oder wenigstens eine Botschaft weitergeben? Wenn du mir hilfst, bekommst du von mir so viel Geld, wie du dir nur vorstellen kannst! Mein Weib ist schwanger und allein. Ich muss zu ihr! Hilf mir, und du wirst reich.«
»Reich wäre ich gerne«, klang es mit einem Lachen zurück.
»Du kannst tausend Gulden haben, meinetwegen auch zweitausend!« Ernst sagte sich, dass seine Entführer für seine Freilassung gewiss nicht weniger Geld verlangen würden. Aber wenn sie es bekamen, war es fraglich, ob sie ihn wirklich gehen ließen. Da wollte er die Freiheit lieber auf eigene Faust erringen.
»Eintausend Gulden, sagst du? So wenig ist dir dein Leben wert?«, spottete sein Bewacher.
Da Ernst für das große Haus in Augsburg nicht einmal die Hälfte dieser Summe ausgegeben
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