Die Ketzerbraut. Roman
Gewinn aus ein paar anderen Geschäften warten und habe derzeit nicht genug Geld flüssig«, antwortete sie ausweichend.
Haselegner beugte sich vor und legte ihr die Hand auf den Arm. »Dann leihe ich dir das Geld. Bei einem Zinsfuß von fünfzehn Prozent im Vierteljahr machst du immer noch den halben Gewinn.«
»Und wenn es schiefgeht, einen herben Verlust! Nein, Haselegner, darauf lasse ich mich nicht ein.« Veva schüttelte seine Hand ab und schob ihren Stuhl ein wenig zurück.
»Jeder Handelsmann muss ein Risiko eingehen, wenn er Erfolg haben will. Du kannst deinen Handel nicht verwalten wie eine Hausfrau, Veva. Deshalb schlage ich dir die ganze Zeit vor, dass wir heiraten sollten. Dann gehören wir in fünf – ach was! – in drei Jahren zu den reichsten Bürgern Münchens. Vielleicht werde ich dann sogar in den Inneren Rat gewählt und habe die Chance, einmal Bürgermeister zu sein. Wäre es nichts für dich, wenn du bei der heiligen Messe als Erste der Bürgerfrauen das Kirchenschiff von Sankt Peter betreten dürftest?«, sagte Haselegner in der Hoffnung, an Vevas weibliche Eitelkeit zu appellieren.
Sie schüttelte den Kopf. Noch war der Schmerz um Ernst zu tief, als dass sie eine neue Ehe auch nur in Erwägung ziehen konnte, und sie ärgerte sich über Haselegners stetes Drängen. Da sie ihn jedoch nicht verprellen wollte, überlegte sie, was sie ihm antworten sollte. In dem Augenblick spürte sie, wie ihr Kind sich in ihrem Leib bewegte, und lächelte versonnen. Allein der Kleinen wegen musste sie alles tun, um ihr Erbe zu erhalten und zu mehren. Vor allem aber gab ihr die Schwangerschaft die Gelegenheit, ihren hartnäckigen Bewerber erst einmal zu vertrösten.
»Euer Antrag ehrt mich, Haselegner. Ihr vergesst jedoch, dass ich gesegneten Leibes bin. Ich will mein Kind als ehrengeachtete Witwe zur Welt bringen. Das bin ich meinem ermordeten Ehemann schuldig.«
»Im Grunde bist du ihm überhaupt nichts schuldig. Ihr seid doch schließlich nur ein paar Tage verheiratet gewesen!«
»Es waren schon einige Monate«, rückte Veva lächelnd die Tatsachen zurecht.
»Die meiste Zeit davon hast du in München verbracht! Ich verstehe ja, dass du dem Toten nichts Böses nachsagen willst, aber ich weiß mehr über ihn als du. So viel Treue, wie du ihm entgegenbringst, hat er nicht verdient.«
»Vergesst nicht, Ihr redet über den Vater meines Kindes!«, antwortete Veva scharf. Für ihr Gefühl steuerte Haselegner zu eifrig auf sein Ziel zu, und sie sagte sich, dass sie ihn, wenn er nicht bald damit aufhörte, nicht mehr empfangen würde.
Haselegner ärgerte sich über das sture Weibsstück, das aus ihm unverständlichen Gründen an Ernst Rickinger hing. Wahrscheinlich hatte dieser sich in den gemeinsamen Nächten als stark und ausdauernd erwiesen und sie damit zufriedengestellt. Wenn Veva ihn nur ließe, dachte er bei sich, würde er ihr beweisen, dass er in dieser Hinsicht auch nicht schlechter war als der Tote. Da sie jedoch schwanger war und er nicht wusste, wie Frauen in diesem Zustand empfanden, lenkte er ein.
»Wir müssen ja nicht gleich heute heiraten, Veva. Aber du musst auch an dein Kind denken. Es braucht einen Vater, der sich um den Kleinen kümmert und auch dich beschützt. Die Welt ist böse, das weißt du ebenso gut wie ich. Gerade hat dieser Mönch aus Wittenberg eine neue Streitschrift veröffentlicht, die unseren Klerus in übelster Weise verleumdet. Da sich viele von diesem Kerl aufhetzen lassen, fürchte ich, dass es noch zu Mord und Totschlag kommt.«
Seit ihr Mann Martin Luther bei der Flucht aus Augsburg geholfen hatte, befasste Veva sich mehr mit dessen Thesen und war zu dem Schluss gekommen, dass daran nicht alles so falsch und verderblich war, wie Doktor Portikus und andere Kirchenmänner es den Münchner Bürgern und dem Herzog weismachen wollten. Mit Ernst hätte sie über diese Dinge reden können, doch bei Haselegner bezweifelte sie es. Daher ging sie nicht auf seine Bemerkung ein, sondern sagte nur, dass sie vor der Geburt ihres Kindes keine Entscheidung über ihre weitere Zukunft treffen werde.
Ihre entschlossene Miene hielt Haselegner davon ab, weiter in sie zu dringen. Aber er nahm ihre Weigerung nicht ernst. Da Weiber mal so und mal so handelten, würde sie ihre Meinung gewiss bald ändern. Bis dorthin würde er sich ihr unentbehrlich machen. Nicht zuletzt deshalb lenkte er das Gespräch wieder auf sein geschäftliches Angebot.
»Meine liebe Veva, ich gebe gerne zu, dass
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