Die Ketzerbraut. Roman
möchte nur zuverlässige Leute um mich haben, die auch den Mund zu halten wissen.«
»Die Kreszenz würde gewiss schweigen, aber sie ist genau wie ich zu alt für so etwas.« Lina seufzte und wünschte sich, ein paar Jahrzehnte weniger auf dem Buckel zu haben.
Veva nickte Lina zu. »Dein Vorschlag ist gut, denn Kreszenz’ Wort gilt viel unter den Leuten. Daher will ich sie auf jeden Fall hier haben. Doch um mit Haselegner fertig zu werden, brauchen wir mindestens noch einen oder besser zwei kräftige Männer. Ich weiß auch schon, wo wir die herbekommen. Schwab, du wirst gleich zum Ratsherrn Bart gehen. Ich schreibe rasch einen Brief und bitte ihn um Unterstützung.«
Lina atmete auf. »Ihr wollt den Herrn Arsacius Bart dabeihaben? Das ist ein guter Gedanke! Ich hatte schon Angst, Ihr würdet an Euren Schwiegervater denken. Der kann froh sein, dass der Rat der Stadt ihn nicht wegen des Verdachts eingesperrt hat, er könne den Mord an Eurem Mann veranlasst haben.«
»Es war knapp davor. Hätte er nicht Geschäfte mit zwei Ratsherren abgeschlossen, die diese nicht gefährden wollten, hätten sie ihn in den Turm geworfen. So ist er mit einer scharfen Rüge davongekommen.« Das Gesicht des Schwab verriet, dass er dem alten Rickinger etliche Tage im Kerker vergönnt hätte.
Veva beteiligte sich nicht weiter an dem Gespräch, sondern widmete sich wieder Hilarius’ Schreiben und kam zu der Stelle, an der dieser Haselegner des Reliquienschwindels beschuldigte. Eine alte Erinnerung glomm in ihr auf, und sie sah sich und Ernst noch als halbe Kinder mit Hasso auf den Spuren eines Mörders durch die nächtliche Stadt streifen. Auch damals war es um eine Reliquie gegangen, und Benedikt Haselegner hatte eine unrühmliche Rolle dabei gespielt.
Seufzend legte sie das Schreiben beiseite und ließ sich von Lina Feder, Papier und Tinte reichen, um den Brief an Arsacius Bart zu verfassen. Ihre Augen blitzten, und als der Schwab dies bemerkte, musste er grinsen. So leicht, wie Haselegner sich das vorstellte, ließ seine Herrin sich nicht den Schneid abkaufen.
6.
D er Mönch, der Remigius bediente, sah mit Verwunderung, wie sich der Pater spät am Abend Albe und Kasel anzog, einen Umhang darüberwarf, um die geistliche Kleidung zu verbergen, und dann sein Brevier in einen Beutel steckte.
»Ihr wollt noch ausgehen, Herr?« Der Mönch kannte den liederlichen Lebenswandel des Priesters und hätte ihm gerne ins Gewissen geredet. Da sein erster Versuch vor einigen Monaten in einer herben Tracht Prügel geendet hatte, hielt er sich jedoch zurück.
Remigius schenkte ihm einen Blick, der auch einem aufdringlichen Hund oder einer lästigen Katze hätte gelten können, und verzog verächtlich den Mund. »Geht dich das was an? Öffne mir lieber die Tür. Es wird dauern, bis ich zurückkomme. Schlafe bis dahin ja nicht ein!«
»Gewiss nicht, hochwürdiger Herr!« Nicht zum ersten Mal dachte der Mönch, dass er im Kloster ein besseres Leben führen würde denn als Diener dieses Wüstlings, und nahm sich vor, mit dem Prior darüber zu reden, ob er nicht wieder dorthin zurückkehren konnte.
Unterdessen stieg Remigius die Treppe hinab und wartete, bis sein Diener die Tür geöffnet hatte. Dann trat er hinaus in die nächtliche Stadt. Der Mönch wollte schon fragen, ob er eine Laterne nehmen und ihm leuchten sollte. Doch da schälte sich die Gestalt eines Mannes aus der Dunkelheit, der eine Blendlaterne bei sich trug.
»Da seid Ihr ja, hochwürdiger Herr!«, begrüßte Haselegner den Pater mit geheuchelter Freundlichkeit, denn er ärgerte sich, dass Remigius ihn mehr als eine halbe Stunde hatte warten lassen.
Der junge Mönch fragte sich, was sein Herr und der Kaufmann in dieser Nacht unternehmen wollten. Gewiss war es wieder etwas, was Gott missfallen würde. Zwar hatte er von jener Sache, bei der Ernst Rickinger Pater Remigius bis auf die Knochen blamiert hatte, nur Gerüchte vernommen, aber er vergönnte seinem Herrn eine zweite Zurechtweisung dieser Art. Während er die Türe schloss und in seine Kammer zurückkehrte, faltete er die Hände und bat Jesus Christus, Remigius zu erleuchten und dafür zu sorgen, dass er sich von einem unmoralischen Saulus zu einem keuschen Paulus wandelte.
Hätte Remigius die Gedanken seines Dieners gekannt, wäre er in schallendes Gelächter ausgebrochen. Seit Veva ihr sechzehntes Jahr erreicht hatte, war er darauf erpicht gewesen, sie irgendwann einmal zu besitzen. Nun würde es endlich so weit sein.
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