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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Hausherrn den Brief und ein gutes Trinkgeld abholte, brach der Sohn des Hauses zu seiner vierten Tagesetappe auf. Ernst würde noch einen weiteren Tag brauchen, um Innsbruck zu erreichen, denn er hatte einen Tag in Kiefersfelden verbracht und mit dem dortigen Amtmann gesprochen, um mehr über die Bande zu erfahren, die seinen Freund Bartl auf dem Gewissen hatte. Am liebsten hätte er die Reise nach Innsbruck abgebrochen und sich auf die Spur dieser Schurken gesetzt.
    Im Augenblick schien es so, als hätten die Räuber sich in Luft aufgelöst. Ernst konnte sich vorstellen, dass sie sich eine Weile still verhielten, um ihre Verfolger zu täuschen. Seine Trauer über den Tod des Freundes war so groß, dass er jeden der Kerle an den Galgen wünschte, und er hoffte, dass sie bald jenen entscheidenden Fehler begingen, der ihnen das Genick bräche. Wenn er davon erfuhr, würde er unverzüglich an den Ort reisen, an dem man sie hinrichtete.
    Da er in Kiefersfelden nichts weiter ausrichten konnte, stieg er wieder in den Sattel, um sich mit der Reisegruppe, der er
     sich hier angeschlossen hatte, auf den Weg zu machen. Unterwegs griff er immer wieder zum Knauf des Schwerts, das an seinem
     Sattel hing, und zog es einmal sogar halb aus der Scheide.
    Der Mann, der hinter ihm ritt, trieb seinen Hengst an, bis er zu Ernsts Pferd aufgeschlossen hatte. »Ich hoffe, du kannst mit dem Ding auch umgehen.«
    »Für den Hausgebrauch reicht es.« Ernst gefiel dieser Reisegefährte nicht besonders. Dies lag weniger an der hohen, wuchtigen Gestalt des Mannes als vielmehr an dem verächtlichen Zug um den Mund. Es war, als verhöhne er die anderen Reisenden. Und auch sonst wirkte der Mann nicht eben vertrauenerweckend. Das Gesicht war recht breit, das Kinn kräftig und die Augen hell wie Wasser. Ein schütterer, ins Rötliche gehender Bart spross auf den Wangen, während das Haar unter dem pelzverbrämten Hut hellblond hervorquoll. Er trug die Kleidung eines Edelmanns, grünes Wams und gleichfarbige Hosen. Darüber hatte er einen etwa knielangen Mantel geworfen, dessen Ärmel bis zu den Ellbogen reichten und mit Troddeln eingefasst waren. Die halbhohen Stiefel waren ebenfalls mit Troddeln verziert, und die rosa Socken wurden von dunkelgrünen Strumpfbändern gehalten.
    Trotz der bunten Kleidung wirkte der Edelmann auf Ernst nicht wie ein Geck, denn die prankenhaften Hände ließen erkennen, dass er das lange Schlachtschwert, das er an der Hüfte trug, kraftvoll zu schwingen vermochte. Eigentlich hätte es Ernst beruhigen müssen, einen solchen Reisegefährten an seiner Seite zu wissen, aber der Mann zeigte ihm allzu deutlich, dass er ihn für einen grünen Jungen hielt.
    »Wenn du auf die Oberländer Räuber triffst, wird dir dein Schwert wenig helfen. Das sind Teufel, sage ich dir«, berichtete der Edelmann. »Es heißt, sie seien alle schussfest und ihr Hauptmann gleich doppelt. Der soll mit dem Teufel im Bunde sein, denn er kann sich mitsamt seinen Leuten von einem Ort zum andern versetzen, so dass er seinen Verfolgern stets entkommt.«
    »Ihr scheint ihn ja gut zu kennen«, antwortete Ernst unwirsch.
    Der Edelmann lachte. »Wer durch die Berge reist, hört unweigerlich von ihm, und jeder, der ungeschoren von München nach Innsbruck kommt oder umgekehrt, tut gut daran, am Ziel dem heiligen Christophorus zum Dank eine große Kerze zu stiften, weil der Heilige ihn vor der Bande aus dem Oberland beschützt hat.«
    »Ich werde es mir merken«, antwortete Ernst und fragte sich, ob der Mann tatsächlich so viel Angst vor diesen Räubern hatte oder sich einfach nur gerne reden hörte.
    »Ja, ja, die Oberländer Bande! Die bereitet so manch ehrlichem Kaufmann Sorgen und Verdruss«, fuhr dieser fort. »Ihr Münchner kriegt das auch zu spüren. Haben die Räuber nicht erst vor kurzem eine Reisegruppe aus eurer Stadt überfallen und alle bis auf den letzten Mann niedergemacht?«
    Ernst horchte auf. »Das ist richtig! Bekäme ich die Kerle in die Hände, hätten sie nichts zu lachen, denn der Bartl Leibert war mein bester Freund.«
    »Der ermordete Kaufmann war dein Freund? Da ist es verständlich, dass du einen argen Zorn auf diese Schurken hast.« Der Edelmann nickte bekräftigend und schien sich erst jetzt daran zu erinnern, dass er sich Ernst weder am Abend zuvor noch an diesem Morgen vorgestellt hatte. »Ich bin Franz von Gigging und hab meinen Besitz ein paar Meilen weiter im Osten. Mir gehören zwar bloß eine alte Burg und ein einziges Dorf,

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