Die Ketzerbraut. Roman
sicher sein konnte, dass der Knecht ihn nicht mehr beobachten konnte, steckte das Päckchen unter sein Wams und begann, die Achsen zu schmieren. Er ging nicht besonders sorgfältig vor und wusste, dass er es auf halbem Weg nach Augsburg noch einmal würde tun müssen. Aber um nicht aufzufallen, war es ihm wichtig, bei dieser Arbeit gesehen zu werden.
Als der Knecht mit dem Pferd eines Reisenden aus dem Stall kam und Echle am Wagen hantieren sah, machte er eine verächtliche Handbewegung, die dessen Geiz galt. Dann führte er das Ross zur Herbergstür und wartete, bis der Gast herauskam.
»Wollt Ihr wirklich allein reiten, Herr? Ihr wisst doch, die Räuber …«, sagte er, als der andere die Zügel ergriff.
»Die fürchte ich nicht«, antwortete dieser und schwang sich in den Sattel. Da er ebenfalls mit Trinkgeld geizte, machte der Knecht eine obszöne Geste hinter ihm her und wandte sich dann an den Ratsboten. »Es gibt Leute, die sind noch geiziger als ihr Augsburger.«
Echle antwortete mit einem Brummen, hängte dann den Eimer mit dem Schmierfett wieder unter den Wagen und wandte sich der Herbergstür zu. Schon nach wenigen Schritten machte er kehrt. Der Brei, den der Wirt seinen Gästen zum Frühstück vorsetzte, hatte ihm noch nie geschmeckt, und bei Rickinger würde er etwas Besseres bekommen. Auch wollte er das Päckchen mit den lutherischen Flugschriften endlich loswerden.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es Echle Spaß gemacht, die Münchner Stadtknechte und die Behörden des bayrischen Herzogs an der Nase herumzuführen. Doch seit der Klerus forderte, es müsse schärfer gegen den rebellischen Mönch aus Wittenberg und dessen Anhänger vorgegangen werden, wuchs die Furcht, doch einmal erwischt zu werden.
Daher atmete er erleichtert auf, als er den Hof von Rickingers Anwesen betrat. Hasso, der Hofhund, kam seine Kette hinter sich herziehend aus seiner Hütte und knurrte ihn an. Echle machte einen weiten Bogen um das Tier und versuchte, es zu beruhigen. »Braves Hunderl! Ich muss zu deinem Herrn. Da darfst du mich nicht beißen. Das tät auch die Stadt Augsburg nicht gern sehen. Immerhin bin ich ein amtlich bestellter Bote. Ich …«
»Hör auf mit dem Schmarrn! Der Hasso tut dir schon nichts.« Die alte Lina hatte Echle durch das Küchenfenster gesehen und trat aus dem Haus. »Du willst den Brief abholen, den der Herr geschrieben hat?«, fragte sie Echle nicht gerade freundlich.
Der Augsburger, der als Fuhrmann sein eigener Herr war und als vereidigter Bote für den Rat der Stadt fungierte, nickte. »Deswegen komm ich. Außerdem hat es geheißen, ich könnte eine Brotzeit kriegen.«
»Verhungert ist bei uns noch keiner. Komm mit!« Lina schlurfte voraus, während Echle sich überlegte, was seinen Freund Ernst Rickinger getrieben haben mochte, ihm diese harsche Magd als Vertrauensperson zu nennen.
In der Küche deutete Lina auf einen Schemel in der Ecke. »Stell ihn an den Tisch und setz dich. Du kriegst gleich was.«
Da sich eine weitere Magd in der Küche befand, sagte Echle nichts von dem Päckchen, sondern wartete auf seinem Schemel, bis er mit Lina allein sein würde.
Diese zapfte ihm einen Krug Bier und stellte ihn mit einem »Wohl bekomm’s!« vor ihn. Aus dem Vorratskeller holte sie einen Laib Brot und eine Blutwurst und schnitt dem Boten je ein Stück davon ab.
Dann sah sie die andere Magd auffordernd an. »Hast du dem Herrn schon das Frühstück gebracht?«
»Ich bin noch nicht dazu gekommen, aber ich tu’s gleich.«
»Dann tummle dich, sonst wird der Herr zornig. Er hat seit einigen Tagen eine elend schlechte Laune. Möchte wissen, welche Laus ihm über die Leber gelaufen ist.«
»Wahrscheinlich der junge Herr! Er hat ihn doch vor dessen Abreise arg gescholten. Dabei soll der Patron in seiner Jugend auch kein Kostverächter gewesen sein.« Die Magd sah sich selbst als Frau im besten Alter und hätte wahrlich nichts gegen eine zärtliche Stunde mit dem Sohn des Hauses oder gar dem Herrn selbst einzuwenden gehabt.
Das wusste auch Lina und schürzte die Lippen. »Auf jeden Fall hat der Herr nicht den Mägden im Haus nachgestellt. Und das macht der Junior auch nicht.«
»Hättest den Herrn damals wohl gerne in deine Kammer eingelassen?«, biss die Jüngere zurück.
Statt einer Antwort stellte Lina ihr das Tablett mit der Schüssel mit dem Frühstück für Eustachius Rickinger hin. »Den Wein für den Herrn kannst du selbst aus dem Keller holen. Deine Beine sind jünger als die
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