Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
sogleich antwortete.
» Durand de Huesca und seine Armen von Lyon. Jene andere Glaubensgemeinschaft, von der ich gestern sprach. Man nennt sie auch Waldenser, denn sie folgen der Lehre eines gewissen Pierre Valdès, eines reichen Händlers aus Lyon, der eines Tages beschloss, all sein Hab und Gut den Armen zu schenken, um selbst wie ein Bettler zu leben. Sie lehnen ebenfalls den sündigen Prunk der römischen Heuchler ab, behaupten aber ebenso wie diese, die Welt sei von Gott geschaffen worden, nicht von Satan, wie es in der Bibel steht. Ich bin gespannt, wohin sie sich setzen werden. «
Ebendiese Frage schienen die Waldenser sich ebenfalls zu stellen, denn sie blieben eine Weile im Raum stehen. Der Graf de Foix hob kurz die Hand, um Durand de Huesca an einen freien Platz neben Esclarmonde zu weisen, doch der magere Mann im Bettlergewand übersah diese Einladung.
» Die Liebe Gottes gilt vor allem den einfachen Menschen dieser Welt, nicht den reichen und mächtigen « , erklärte er an niemand Bestimmten gewandt, doch war die Verachtung, mit der er die Herrschaften am Kopf der Tafel musterte, nicht zu übersehen. Dann wandte er sich um und führte seine Gefolgschaft ans untere Ende, wo einfache Mönche gegenüber von ebenso unbedeutenden Perfachs saßen. Die Waldenser verteilten sich gleichmäßig auf beide Seiten. Adelind überlegte kurz, wie Durand de Huesca sich aus dieser Entfernung an der Debatte zu beteiligen gedachte, doch machte er nicht den Eindruck eines Menschen, dem es an Stimmgewalt mangelte. Erschrocken und gleichzeitig beeindruckt von seiner Unverfrorenheit sah sie ihn hoch erhobenen Hauptes dahinschreiten, sodass seine Lumpen für einen Augenblick wie prächtige Gewänder anmuteten. Dieser Mann mochte sich kleiden wie ein Bettler, doch seine Ablehnung von allem Reichtum und Glanz grenzte schlichtweg an Hochmut.
Gemurmel zog kurz durch den Saal, schwoll an und ab wie Wellen im Wind, um zu verstummen, als der Comte de Foix sich erhob und die Debatte für eröffnet erklärte.
Einer der Bischöfe in purpurner Casula ergriff sogleich das Wort, erklärte, im Auftrag des Heiligen Vaters gekommen zu sein, um verirrte Seelen auf friedliche Weise in den Schoß der Kirche zurückzuführen.
» Diego von Osma « , flüsterte Rosa Adelind zu. » Ein richtiger Wichtigtuer. «
Der Mann war mittelgroß und gedrungen, hatte buschige Brauen über sehr kleinen Augen, die ständig blinzelten. Als seine Worte Protestrufe und auch einiges Gekicher nach sich zogen, begann seine Gesichtsfarbe dem Purpur seiner Casula zu ähneln. Auch Rosa lachte kurz auf, als wolle sie ihn weiter reizen. Adelind staunte, wie laut, fast derb ihre Stimme dabei klang, schaffte es dann, ihre socia mit einem mahnenden Blick zum Schweigen zu bringen. Auf diese Weise war die Debatte zum Scheitern verurteilt, noch bevor sie begann.
Der Graf de Foix schlug mehrfach mit der Hand auf das Holz der Tafel.
» Lasst ihn seine Rede beenden « , mahnte auch Esclarmonde, und endlich ließ der allgemeine Aufruhr nach. Nach einigem Husten und Räuspern fuhr der Bischof fort:
» Ihr habt euch von der Lehre Christi abgewandt, ihr nennt das Alte Testament die Schrift Satans, ihr leugnet die Sakramente und erkennt Jesus Christus nicht als Sohn Gottes an. Euer Weg ist falsch, ihr seid einer Irrlehre erlegen, die eure Seelen ins Verderben führen wird. «
Diego von Osma ergriff seinen Stab und klopfte damit drei Mal gegen den Holzboden des Saales, um seinen Worten Nachhall zu verleihen. Diesmal waren die Protestrufe leiser, aber wesentlich spöttischer. Ein weiterer Mann an der Seite des Bischofs erhob sich, um eine beruhigende Hand auf seinen Arm zu legen. Das Klopfen des Stabes erstarb, während ein paar Worte geflüstert wurden. Adelind staunte über die Kleidung dieses Mannes, denn sie war zu bescheiden für einen Kleriker in höherer Stellung. Dennoch saß er auf der katholischen Seite, gehörte weder den streng schlichten Katharern noch den zerlumpten Waldensern an.
» Das ist nun Dominique de Guzmán « , wurde sie von Rosa belehrt. » Er hat von uns gelernt, dass das Volk mehr Achtung vor Predigern hat, die nicht in prunkvollen Gewändern auftreten. Gleichzeitig nutzt er diese Erkenntnis, um Leute zu seiner Irrlehre zu bekehren. «
Adelind fragte sich, wie oft der Begriff Irrlehre an diesem Tag noch fallen würde. Im Munde eines jeden Sprechers schien er eine andere Bedeutung zu bekommen, als sei dieses Wort ein Stück Holz, das ein jeder sich
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