Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
zu. Adelind fragte sich, ob der Abt seinem jüngeren Gefährten nicht heimlich grollte. Schließlich war es diesem gelungen, ein paar störrische Ketzerinnen von seiner Auslegung der Bibel zu überzeugen. Vor dem Gebell Arnaud Amaurys wären sie nur entsetzt davongerannt. Männer wie er brauchten Kriege, um ihren Willen durchzusetzen.
Nun rieb der junge Kleriker wieder seine feinen, eleganten Hände. Adelind bemerkte, dass sie bereits rote Flecken und schuppige Stellen aufwiesen.
» Ich bitte Euch, gebt ihr Zeit. Lasst mich allein mit ihr reden. Ich kann sie wieder auf den rechten Weg bringen. Sie ist eine kluge Frau, der es nicht gefällt, derart angeherrscht zu werden. «
Adelind nahm anerkennend sein Verständnis zur Kenntnis, doch der Abt schnaubte zornig.
» Eine kluge Frau sollte wissen, wann sie zu schweigen und sich zu fügen hat « , gab er sogleich zurück. » Wir verschwenden nur unsere Zeit mit diesem störrischen Weib. In ein paar Tagen haben wir genug Ketzer für eine weitere Verbrennung gefunden, also sperrt sie bis dahin wieder ein. «
Dominique de Guzmán setzte zum Protest an, doch hatten die Wachmänner Adelind bereits gepackt und schleppten sie wieder hinaus. Sie sah, wie Dominique ihnen etwas zuflüsterte, bevor die Tür zufiel. Sie wurde durch den Gang geschleift, doch ging es nicht in ihr Verlies zurück, nur in das kleine Zimmer unmittelbar davor, wo sie das Pergament entrollt hatte. Dort legte Gaston einen breiten Arm um ihre Taille und presste seine haarige, kratzende Wange an die ihre.
» Wir können dich hier herausbringen, wenn du ein bisschen nett zu uns bist « , flüsterte er und ließ eine Hand über ihren Körper gleiten. Wieder schoss der Zorn wie eine Flamme in Adelind hoch. Sie versetzte ihm einen Tritt, sodass er sie losließ, und spuckte dann in sein Gesicht. Er hob die Hand. Ein wuchtiger Hieb traf ihr Gesicht und ließ sie rücklings auf den Boden fallen. Für einen kurzen Moment war sie vor Schmerz gelähmt.
» Bald ist von dir nur noch ein Haufen Asche übrig. Schade eigentlich « , murmelte Gaston, bevor er zusammen mit seinem Gefährten verschwand und die Tür mit einem lauten Knall zufallen ließ. Adelind rappelte sich mühsam auf. Wieder zitterte sie am ganzen Leib, und Tränen der Verzweiflung schossen ihr in die Augen. Mabile hatte sich von Arnaud Amaury nicht zu frechen Aussagen provozieren lassen und wäre wahrscheinlich auch geschickt genug gewesen, Gastons Annäherungsversuche zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sie selbst vermochte nicht demütig abzuschwören, doch zweifelte sie weiterhin, ob sie auch genug Mut besaß, um so aufrecht und heldenhaft zu sterben wie Rosa. Langsam schlich sie zu einem Schemel, auf dem sie sich niederließ und ihr Gesicht in den Händen verbarg. Offenbar wollte Dominique de Guzmán noch einmal mit ihr reden und hatte sie daher hierherbringen lassen, doch zweifelte sie, dass die Dinge allzu gut für sie standen. Mit jeder Faser ihres Körpers wollte sie leben, vielleicht auch wieder als katholische Nonne, doch war sie nicht bereit, Esclarmonde, Ursanne und all jene Menschen, die ihr Güte gezeigt hatten, öffentlich zu verleumden. Daher würde sie wohl sterben müssen. Sie zog die Knie hoch, umschlag sie mit beiden Armen und kauerte als zitterndes Bündel auf ihrem Schemel. Sie musste Ruhe finden, irgendwo in ihrem angstgelähmten Hirn eine Quelle des Mutes entdecken, denn wenn sie starb, dann wollte sie es aufrecht tun wie Rosa. Langsam begann sie das Paternoster zu murmeln, summte dann wieder ein Stabat Mater und sehnte sich plötzlich gar nach einem Rosenkranz, an dem sie sich hätte festhalten können. Das stete Wiederholen vertrauter Worte wirkte beruhigend, da es alle Gedanken in eine feste Ordnung brachte. Sie vermochte wieder etwas ruhiger zu atmen, das Zittern ließ nach, obwohl all ihre Muskeln vor Verspannung schmerzten. Dann, als sie glaubte, endlich ein wenig Frieden gefunden zu haben, wurde ihr bewusst, dass Hildegard und Olivette sich nun gezwungen fühlen würden, ihrem Beispiel zu folgen. Wieder stieg rasende Panik in ihr hoch, sie sprang auf und begann in dem kleinen Raum herumzulaufen. Warum ließ man sie eigentlich hier warten? Sie musste zu ihrer Schwester, um genug Zeit zu haben, sie zur Vernunft zu bringen. Hildegard wäre glücklich in einem Kloster, wo Priester wie Pater Severinus sicher nicht geduldet wurden. Auch für Olivette schien ein solches Leben durchaus passend, denn sie hatte niemals das Verlangen nach
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