Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
zog sich aus freien Stücken in ein frommes Leben zurück, nachdem sie ihre Aufgaben als Ehefrau und Mutter in dieser Welt erfüllt hatte « , versuchte Adelind die Dinge richtigzustellen. » Esclarmonde des Foix ist ihrem Bruder in tiefer Liebe zugetan, doch handelt es sich dabei um völlig keusche Liebe unter Geschwistern, die Gott dem Herrn in keiner Weise missfallen dürfte. «
Der Abt runzelte die Stirn. Sie ahnte, dass ihre Aussage als zu vorlaut empfunden wurde, denn woher nahm sie, eine entlaufene Nonne und Ketzerin, das Recht zu entscheiden, was Gott missfiel oder nicht? Sie versuchte, etwas Ordnung in ihren Kopf zu bringen. Das Abschwören würde nicht so einfach werden wie erhofft, und sie musste auf jedes ihrer Worte achten.
Der Abt beugte sich zu ihr herab, sodass feine Fäden seiner Spucke ihre Wangen streiften, als er zu reden begann.
» Heißt es denn in dem Irrglauben, dem ihr verlorene Seelen anhängt, nicht, es sei keine größere Sünde, mit der eigenen Schwester Unzucht zu treiben, als mit der angetrauten Gemahlin? «
Adelind presste kurz die Hand vor den Mund, um ein Auflachen zu unterdrücken. Wie konnte man eine Aussage nur derart verdrehen?
» Unter den Vollkommenen, also jenen, die das Consolament empfangen haben, gilt jede Art der Fleischeslust als Sünde. Es macht tatsächlich keinen Unterschied, ob dies mit einer Blutsverwandten geschieht oder mit einer Fremden. Die Vollkommenen haben der Ehe entsagt. Esclarmonde würde niemals unkeusch werden, ganz gleich mit welchem Mann, da auch sie zu diesem Kreis gehört. «
Zufrieden mit ihren eigenen Worten lehnte sie sich zurück. Nun mussten diese Männer doch endlich begriffen haben, worum es hier ging. Als sie das spöttische Funkeln in den Augen des Abtes bemerkte, hätte sie sich selbst ohrfeigen können, weil sie geglaubt hatte, mit Feuereifer über Glaubensfragen debattieren zu können. Die Zeiten der friedlichen Dispute wie einst in Pàmias waren nun endgültig vorbei.
» Ihr scheint Euch sehr gut auszukennen im Glauben der Häretiker « , fuhr Arnaud Amaury auch schon fort. » Seid Ihr denn nicht selbst eine von jenen, die sich voller Anmaßung als vollkommen bezeichnen? Habt Ihr nicht verlangt, dass Leute sich vor Euch verneigen wie vor einer Götzenfigur? «
» Ich verlangte es nicht, aber viele taten es freiwillig « , gab Adelind sogleich zurück. Allmählich begann sie zornig zu werden. » Sie verneigten sich auch nicht vor mir, sondern vor dem Funken göttlichen Lichts, das ich nach… nach dem Glauben der ecclesia Dei mit dem Consolament empfing. «
» Göttliches Licht also maßt du dir an empfangen zu haben « , blaffte der Abt sie nun an. Adelind hob die Hand, um sich vor aller Augen seine Spucke vom Gesicht zu wischen, was ihn sichtlich noch mehr in Rage brachte.
» Hat man dich im Kloster nicht gelehrt, dass Hochmut eine Sünde ist? Warum sollte Gott der Herr sein Licht an ein gewöhnliches Weib wie dich verschwenden, das sein Gelübde als Nonne brach, um sich einem Haufen verirrter Seelen anzuschließen, die das Sakrament der Ehe missachten, der Inzucht frönen und ungeborene Kinder morden, auf dass sie sich nicht fortpflanzen? «
Adelind streckte den Rücken. Der Zorn schien befreiend, er machte sie wieder tapfer, entschlossen und stark.
» Ich weiß von keiner Leibesfrucht, die in meiner domus getötet wurde, da wir uns streng an das Gebot der Keuschheit hielten, weitaus strenger als so mancher Kleriker, dem ich früher als Nonne begegnete. Ich weiß nur, dass Eure Kirche hier unschuldige Leute erschlagen ließ, von denen etliche gläubige Katholiken waren, einem tapferen Edelmann seinen rechtmäßigen Besitz durch Betrug raubte und vor fünf Tagen den gütigsten, weisesten Menschen, den ich jemals traf, eine hilflose Blinde, aus reiner Grobheit zu Tode brachte. Allein daran vermag ich zu beurteilen, dass ihr nicht im Namen Gottes handelt. «
» Es steht dir nicht zu, über Dinge zu urteilen, die du nicht begreifst « , entgegnete der Abt mit einem Hieb auf den Tisch. Die Weinpokale erbebten. Dann warf er Dominique de Guzmán einen aufgebrachten Blick zu.
» Ihr sagtet, diese hier sei nicht so verstockt! Aber ich habe meine Erfahrungen gemacht mit diesen Häretikern, als ich im Namen des Heiligen Vaters hierzulande missionieren sollte. Dieses Weib ist eine von den schlimmsten, störrisch, ohne jeden Respekt vor der göttlichen Ordnung dieser Welt. «
Er warf Dominique de Guzmán einen triumphierenden Blick
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