Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
Foix will ihre Tochter sicher gern lebend wiedersehen. Für ein Fürstenkind wird es vielleicht möglich sein, das Kloster wieder zu verlassen, wenn die Lage hier sich beruhigt hat. «
Sie wandte sich an Olivette, die nach langem Zögern nickte. Sie sah einfach nur erleichtert aus, nicht bei lebendigem Leibe verbrannt werden zu müssen. Hildegard jedoch schlang einen hartnäckigen Arm um Adelinds Schulter.
» Wenn du stirbst, dann will ich es auch tun « , flüsterte sie. » Ich wollte dich doch immer an meiner Seite haben. Deshalb habe ich damals gelogen, nicht um deine Keuschheit zu schützen, wie ich mir einredete, sondern weil ich Angst hatte, wie ich ohne dich im Leben zurechtkäme. Ich hatte immer diese Angst. Rosa hat mir gezeigt, was Mut ist. Wenn du ihrem Beispiel folgst, dann tue ich es auch. «
Adelind fuhr auf, doch als sie in Hildegards Gesicht blickte, sah sie steinharte Entschlossenheit.
» Ich lasse dich jetzt nicht allein. Das bin ich dir schuldig « , erklärte ihre Schwester und lehnte sich an sie. Adelind umschloss Hildegards zarte Finger mit ihrer Hand. Schon als kleine Kinder waren sie so gemeinsam eingeschlafen, als sie vor vielen Jahren erfahren hatten, dass man sie in die unbekannte Welt eines Klosters schicken würde. Nun stand ihnen ein weiterer, weitaus schwererer Weg bevor.
» Bald werden unsere Seelen in Gottes Reich eingehen « , flüsterte Hildegard und schaffte es, für einen Augenblick fast glücklich zu klingen. Adelind konnte diese Regung nicht teilen. Wollte Gott denn wirklich, dass sie beide schon in jungen Jahren starben, nur um einer anderen Auslegung der Bibel willen? Tief in ihr brodelte Widerstand, doch Hildegard beruhigte ihn mit einem Lächeln.
» Es gibt keinen anderen Weg. Willst du in einer Welt leben, die von diesen Heuchlern und Mördern beherrscht wird, dich ihrem Willen unterwerfen und die wahre Botschaft des Herrn verleugnen? «
Adelind erinnerte sich an das Leuchten der Sonne, den Duft der Pinien und das sanfte Rauschen der Aude unterhalb der Stadtmauern, vernahm einen immer stärker werdenden Schrei des Protests in ihrem Inneren, denn sie wollte von der Schönheit dieser Welt nicht getrennt werden, ganz gleich, wer sie auch erschaffen haben mochte. Dennoch wusste sie, wie ihre Antwort auf Hildegards Frage ausfiel: Sie war nicht bereit, sich einem Arnaud Amaury zu unterwerfen, jedenfalls nicht in der Art und Weise, die er einforderte. Gemeinsam mit Olivette begannen sie zu beten, doch Adelind merkte, dass sie im Geiste nicht bei Gott war und ihre Lippen nur mechanisch Worte murmelten, ohne dass ihr Verstand auf deren Sinn achtete. Stattdessen dachte sie an Peyres. Was auch immer er verbrochen hatte, indem er sich dem Heer der Kreuzfahrer anschloss, so war er doch gekommen, um sie zu retten. Sie schloss die Augen, schmiegte sich an Hildegard und hoffte auf Schlaf, um Kraft für den morgigen Tag zu finden. Vielleicht würde sich doch noch ein Weg abzeichnen, dem Scheiterhaufen zu entkommen, wenn sie ihr Temperament zügelte, auf die Knie fiel und Arnaud Amaury um Vergebung für ihre zornigen Worte bat. Sie biss sich die Lippen wund, während ihr Kopf vor Anstrengung langsam zu schmerzen begann. Sie fühlte sich wie ein Tier, das in eine Falle geraten war und sich bei allen Versuchen, wieder herauszukommen, nur noch stärker verletzte.
Das Schleifgeräusch der Tür schreckte sie alle auf, obwohl sie kaum hatten schlafen können. Sie sahen einen Mann die Stufen zu ihrem Verlies herabsteigen. Er trug keine Kerze, und das Mondlicht konnte nur spärlich durch die Fensteröffnung dringen, sodass sie nichts weiter erblickten als eine hochgewachsene Gestalt. Hildegard stieß ein erschrockenes Wimmern aus.
» Seid still! « , wurden sie sogleich alle angeherrscht. Adelinds Herz stand für einen Augenblick still, denn sie kannte diese Stimme.
» Wie hast du es geschafft hereinzukommen? « , fragte sie Peyres fassungslos und wurde mit einer barschen Handbewegung daran erinnert, dass sie keinen unnötigen Lärm machen sollte.
» Die Wachmänner waren betrunken. Sie fühlen sich als Sieger in dieser Stadt völlig sicher. Ich konnte ihnen den Schlüssel abnehmen, als sie eingeschlafen waren « , flüsterte er und schüttelte ein Bündel, das unter seinen linken Arm geklemmt war, rasch aus. Stoffe fielen auf den inzwischen hoffnungslos verschmutzten Boden des Verlieses. Adelind sah, wie Peyres kurz eine Hand vor seine Nase hielt, denn er war nicht an den Gestank
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