Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
weiter auf die Nerven. » Vielleicht seid Ihr krank. «
» Mein Magen scheint in letzter Zeit empfindlich. Die Aufregung. Jetzt wird es sicher besser werden. «
Sie schob Olivette vor sich ins Haus zurück. Es war ein Glück, dass dieses Mädchen fast sein ganzes Leben in einer katharischen domus verbracht hatte und daher in diesen Dingen ebenso ahnungslos war wie einst Adelind selbst nach ihrer Kindheit im Kloster. Kaum war ihr dieser Gedanke gekommen, blieb sie einen Wimpernschlag lang stehen und fühlte eisige Kälte durch jedes ihrer Glieder ziehen. Dann verdrängte sie ihre eigene Ahnung, da sie sich nicht mit ihr auseinanderzusetzen vermochte.
» Geht es euch gut? « , kam Biatris’ Stimme ihnen entgegen.
» Die Dame Adelind hat sich nicht ganz wohl gefühlt, aber es scheint nichts Ernstes zu sein « , erwiderte Olivette, bevor sie selbst etwas sagen konnte, und öffnete die Tür zu dem Raum, wo Biatris mit Peyres saß.
» Nun solltet ihr die Gräfin aufsuchen « , entschied Biatris. » Es wird ihr eine große Freude sein, euch wohlbehalten hier in Dun zu sehen. «
Olivettes Augen leuchteten sogleich auf, und sie lief los, ohne weiter auf Adelind zu achten. Biatris eilte ihr voran. Adelind wollte folgen, da spürte sie wieder den Blick von Peyres in ihrem Rücken und drehte sich zu ihm um. Er musterte sie schweigend, doch lag ein leises, nachdenkliches Warten in seinem Blick. Adelind spürte, wie ihr Tränen indie Augen schossen. Etwas stimmte nicht mit ihr, denn früher war sie niemals so launisch und wankelmütig gewesen.
» Geht es dir gut? « , fragte Peyres nur.
» Es geht mir so gut, wie es mir nur gehen kann « , erwiderte sie. » Du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen. «
Dann folgte sie ihren sociae.
Esclarmonde bewohnte wieder jenes Zimmer im ersten Stockwerk, wo Adelind ihr vor sechs Jahren zum ersten Mal begegnet war. Nun hatte sie den Stuhl umgedreht und dicht an den Kamin gerückt, in dem trotz spätsommerlicher Wärme ein Feuer brannte. Ihr schwarzes Gewand war immer noch von schlichtem, aber vornehmem Schnitt, ein Schleier bedeckte ihr Haupt, und ihr Kopf war hinabgesunken, als schliefe sie im Sitzen.
» Dòna! « , begann Biatris vorsichtig.
Ein Zucken lief durch den bislang reglosen Körper. Esclarmonde hob eine schmale Hand und hielt sie vor ihren Mund, als sie sich hustend krümmte.
» Wir bringen Euch gleich einen Sud aus Thymian und Honig « , begann Biatris. Esclarmonde entfernte die Hand von ihrem Gesicht und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Ihre Augen waren große, dunkle Teiche in einem schneeweißen Gesicht. Dunkle Flecken lagen darunter, als hätte sie Schläge erhalten.
» Mein Husten ist heute viel besser als gestern « , sagte sie rasch und versuchte, so unauffällig wie möglich ihre Handfläche an dem Gewand abzuwischen. » Aber wer sind die Leute hinter dir? «
Biatris trat schweigend zur Seite. Olivette kam mit einem Freudenschrei auf ihre Mutter zugeeilt und schloss sie nach einem Augenblick des Zögerns in die Arme. Esclarmondes Hand tätschelte kurz den Rücken ihrer Tochter, um sie dann sanft fortzuschieben.
» Du lebst, mein Kind. Ich hatte Angst um dich. «
Die riesengroßen Augen musterten Olivette mit mehr Liebe als jemals zuvor.
» Wir sind aus Carcassona geflohen « , erzählte EsclarmondesTochter rasch. » Wir liefen durch den Wald. Die Kreuzritterhaben mich gefangen, aber ich bin ihnen entkommen. «
Ihre Wangen leuchteten vor aufgeregtem Stolz, aber Esclarmondes Nicken war müde, während sie die Hand ihrer Tochter streichelte.
Adelind wagte nun vorzutreten.
» Es freut mich sehr, Euch wiederzusehen, Dòna « , sagte sie und knickste. Esclarmondes Blick blieb an ihr hängen, doch dauerte es länger als früher, bis Erkenntnis darin aufleuchtete.
» Die einstige Nonne aus dem deutschen Kloster, die sich aus gebrochenem Herzen unserer Kirche zuwandte. Du warst ein großer Gewinn für uns. Wo ist deine Schwester? «
» Sie ist tot, Dòna. Sie ist für ihren Glauben gestorben. «
Adelind spürte zu ihrem Entsetzen, dass ihr wieder Tränen in die Augen schossen.
» Ihre Seele ist in Gottes Reich eingegangen. Meine wird es auch bald tun. Ich hätte mir nur gewünscht, euch in weniger schweren Zeiten zurückzulassen « , sagte Esclarmonde leise und strich über Adelinds Arm. Ihre Handfläche schien unnatürlich heiß. Olivettes eben noch strahlendes Gesicht versteinerte.
» Geht es Euch nicht gut, Dòna? « , fragte
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