Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
in ihrem Leben schon einige Wirtshäuser betreten. Zu allem Übel begann ihr Magen sich nun zu überschlagen, und das eben verspeiste Mahl stieg wieder in ihren Mund zurück. Kurz versuchte sie, es erneut hinunterzuschlucken, was aber nicht gelang, sodass sie sich rasch abwenden musste, um dunklen Schleim auszuspucken. Wieder öffnete sich die Tür des Wirtshauses und entließ eine torkelnde Gestalt, die im Vorbeigehen kurz auf Adelinds gekrümmten Rücken klopfte.
» Zu viel gesoffen, Mädel? « Er lachte gutmütig auf. Adelind fuhr herum und durchbohrte ihn mit einem Blick, der ihn eine Entschuldigung murmelnd davonschleichen ließ. Sie hörte Peyres kichern, was sie noch verlegener machte, doch er sah sie zwar spöttisch, aber auch anerkennend an.
» Den hast du schnell in die Flucht geschlagen. Geht es dir jetzt wieder besser? « , fragte er nur. Adelind nickte, denn der Zorn hatte ihre Lebensgeister neu geweckt. Rasch wischte sie sich mit dem Ärmel ihres Gewandes den Mund sauber.
» Ich weiß auch nicht, warum mir plötzlich übel wurde. Es muss die Aufregung der letzten Tage gewesen sein. «
Nervös rieb sie ihre Hände aneinander, dann fiel ihr ein, dass sie sich wie Dominique de Guzmán benahm. Sie zwang sich zu lächeln.
» Ich wollte dich sehen. Wir ziehen morgen nach Dun weiter, Olivette und ich. «
Er scharrte mit seinem Holzschuh über den Boden. Auch er hatte sich umgezogen und trug nun wieder die farbenfrohen Spielmannsgewänder, die sie zuletzt in Carcassona an ihm gesehen hatte. Beide hatten sie sich ihrer Rolle in dieser Welt entsprechend eingekleidet, was angebracht war, doch erinnerte es Adelind schmerzlich daran, wie wenig ihrer beider Leben noch gemein hatten.
» Du willst zu Esclarmonde « , stellte er fest. Sie nickte, dann würgte es wieder in ihrer Kehle, wenn ihr auch ein erneutes Erbrechen erspart blieb. Etwas an dem Essen in der domus war nicht ganz frisch gewesen, dachte sie, fragte sich aber, warum niemand anderem übel geworden war.
» Könntest du uns dorthin begleiten? Der Weg ist vielleicht nicht ungefährlich « , wandte sie sich an Peyres, denn um dieser Frage willen war sie eigentlich gekommen. Er runzelte die Stirn. Kurz gaben Wolken den Mond frei, und Adelind erahnte die goldenen Sprenkel in seinen Augen.
» Ich glaube, der Comte wird seine Nichte nicht schutzlos losziehen lassen « , entgegnete er.
» Aber… « , sie rang nach den richtigen Worten, fand keine angemessene Umschreibung für ihren Wunsch, sodass sie ihn einfach aussprach. » Ich möchte, dass du mit uns kommst. Ich will mit dir reisen. «
Eine Weile stand er regungslos da, dann hob seine Hand sich zögernd, um auf ihrer Wange liegen zu bleiben.
» Warum? «
Sie trat einen Schritt zurück, obwohl es sie schmerzte, vor seiner Berührung zu fliehen.
» Weil ich dir mehr vertraue als jedem anderen Menschen. Weil du mich schon mehrfach gerettet hast. «
Er richtete sich auf und nickte kurz.
» Gut, dann wartet morgen zur hora prima auf mich. Soll ich dich nun zur Grafenburg begleiten? «
Adelind schüttelte den Kopf.
» Olivette wartet auf mich. In der domus. Willst du nicht mit hineinkommen? Die Leute wollen sich sicher von dir verabschieden. «
Er zögerte eine Weile, dann neigte er zustimmend den Kopf. Es war nur ein kurzer Weg, doch genoss Adelind den Augenblick, da seine Hand sich kurz um ihre Finger legte. Viel zu früh erreichten sie die Eingangstür der domus, wo sie wieder zu flüchtigen Bekannten werden mussten.
Der Comte de Foix stellte ihnen tatsächlich einen Wagen und zwei berittene Wachmänner zur Verfügung, doch stand Peyres wie verabredet am Ausgangstor der Grafenburg, schwang sich auf den Kutschbock und nahm dem jungen Diener des Grafen die Zügel aus der Hand.
» Du kannst hier bleiben. Ich habe viel Erfahrung im Herumreisen, keine Sorge. «
Sichtlich erleichtert eilte der Junge in die Burg zurück, die zwei berittenen Männer neigten nur ihre Köpfe, und die Reise begann. Olivette hatte sich in der Küche den nötigen Proviant mitgeben lassen, da ihr Onkel zu sehr damit beschäftigt war, sich auf den bevorstehenden Angriff vorzubereiten, um an solche Nichtigkeiten denken zu können. Allerdings hatte er ihr ein Schreiben an seine Schwester mitgegeben, das Olivette sorgfältig im Ärmel ihres Gewandes verwahrte. Sie rollten aus der ummauerten Stadt hinaus. Adelind überkam ein Anflug von Trauer, da sie nun Hugues, Veronica und Felice hinter sich ließ, doch zog Peyres’
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