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Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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aber trotz aller Befürchtungen zu versagen freute ein Teil von ihr sich auf diesen Augenblick. Sie zweifelte nicht mehr an ihrer Begabung.
    Es war ein anderer Umstand, der manchmal auf ihrem Gemüt lastete und sich nicht abschütteln ließ. Nach der Unterhaltung in der Schenke vermied Peyres alle persönlichen Gespräche mit ihr. Sie wagte nicht, ihn weiter nach seiner Herkunft und Familie zu fragen, doch selbst harmloses Gerede über das Wetter brachte er mit drei oder vier gebrummten Worten zum Erliegen. Sie hatte das Gefühl, für ihn nur als Sängerin von Bedeutung zu sein, ansonsten schenkte er ihr kaum mehr Beachtung als den Bäumen, an denen der Karren vorbeirollte. Zwar war sein Benehmen gegenüber Marcia nicht weniger kühl, doch entging es Adelind nicht, dass die beiden sich manchmal in stille Winkel verzogen, wenn alle anderen Leute der Truppe bereits schlafend im Wagen lagen. Die Nächte waren etwas milder geworden, daher erledigten sie ihr Treiben rasch im Freien, wo sie geschützter vor neugierigen Blicken waren.
    Sie wusste, dass sie nicht an Marcias Stelle sein wollte, sich nicht nach einem Mann verzehrte, der sie anschrie, ohrfeigte, oft völlig übersah, um sie kurz vor dem Schlafengehen noch rasch wie eine Hure zu benutzen. Dennoch hallten die Worte der Gauklerin in ihrem Kopf wider, wenn sie des Nachts zur vertrauten Zeit der Nokturn erwachte und mit offenen Augen ins Dunkel starrte. Er lässt kein Weib aus, das ihm gefällt.
    Es gab nur eine mögliche Erklärung für Peyres’ Verhalten, nämlich dass sie selbst ihm nicht gefiel. Sie sagte sich, dass es nicht verwunderlich war und dass es darauf nicht ankam. Im Gegenteil, hätte sie ihm gefallen, wären vielleicht anzügliche Forderungen gemacht worden, damit sie in der Truppe bleiben konnte. Es war am besten so, versuchte sie sich einzuschärfen, doch tief in ihr war eine Stelle, die sich dem Zugriff aller Vernunft entzog und hartnäckig schmerzte.
    Es war ein angenehm milder Tag, an dem sie endlich das Stadttor von Straßburg durchquerten und die Stadt sich in all ihrer Schönheit und ihrem Schmutz, mit ihren prächtigen Bauten, kostbar gewandeten Einwohnern und stinkenden Bettlern vor ihnen auftat. Adelind spähte neugierig durch einen Spalt zwischen den Planen des Wagens. Seit sie Köln verlassen hatten, waren sie an keinem so unüberschaubaren Ort mehr gewesen. Peyres lenkte das Maultier zielstrebig auf das Münster zu, dessen Turm wie Gottes mahnend erhobener Finger aus dem Stadtbild Richtung Himmel ragte, und brachte es auf einem großen Platz zum Stehen. Nacheinander kletterten sie alle hinaus, um auf platt getretenem Schmutz zu landen, der durch frischen Regen aufgeweicht war. Adelind sorgte sich um ihr neues Gewand, auf das sie so stolz war, und zog es daher bis zu der Mitte ihrer Unterschenkel hoch. Hinter ihr stapfte Hildegard, der es völlig egal war, dass sie den Saum ihres Kittels beschmutzte.
    » Bei allen Heiligen, so etwas habe ich noch nie gesehen « , flüsterte die Schwester und machte das Kreuzzeichen, während sie zu der Fassade des Münsters blickte. Adelind sah nun ebenfalls hin, folgte mit ihren Augen den Formen der Spitzbögen himmelwärts, bis ihr schwindelig zu werden begann. Dieser Bau erschlug den Betrachter mit seiner prachtvollen Größe. Versonnen musterte sie die Statuen und die kunstvoll verzierte Rosette oberhalb des Eingangstors.
    » Das Münster ist vor ungefähr zehn Jahren teilweise abgebrannt und wird jetzt neu erbaut « , erzählte Antonius, während er auf ein paar Gerüste an den hinteren Teilen des Bauwerks wies. » Ich kann euch hineinführen, wenn wir mit unseren Auftritten fertig sind. «
    » Aber ja, dieses Gotteshaus möchte ich sehen « , rief Hildegard nun mit leuchtenden Augen. Antonius’ fahle Haut bekam plötzlich einen zartrosa Farbton. Adelind atmete erleichtert auf, da die Schwester ihren Verehrer nicht schon wieder wie Luft behandelt hatte.
    » Zunächst einmal erledigen wir unsere Arbeit, dann kann jeder tun, was er will « , mischte Peyres sich ins Gespräch. » In dieser riesigen Stadt können wir unbesorgt auftreten, da gibt es so viele Gaukler und Spielleute, dass wir wie die Nadel im Heuhaufen sind. «
    Niemand widersetzte sich der Anweisung. Auf dem Platz vor dem Münster hatten einige Händler ihre Stände aufgestellt und boten laut rufend ihre Ware feil. Auch als Gaukler waren sie keineswegs allein, wie Adelind besorgt feststellte. In den Dörfern war ihnen die allgemeine

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