Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
seltsamerweise hatte sich ein Schatten über das eben noch erleichterte Gesicht Hildegards gelegt.
» Wir werden ein wenig herumfahren. Monpeslier, Carcassona, Narbona. Ich kann ein paar Botschaften für die Gräfin mitnehmen und werde wohl auch welche für sie erhalten « , sagte Peyres, während er seinen Arm um Adelinds Schultern legte. Sie kämpfte entschlossen ihre Trauer nieder, um diesen letzten Abend, der nur ihnen beiden gehörte, nicht zu trüben.
» Die Gräfin de Foix spielt eine wichtige Rolle in der katharischen Kirche, nicht wahr? « , begann sie.
» Ja, das tut sie. Sie steht in Kontakt mit den katharischen Bischöfen von Carcassona und Tolosa. Außerdem hat sie einige Schulen für Mädchen gegründet, wo sie im katharischen Glauben erzogen werden wie hier. «
Adelind wusste, dass er auf der Reise hierher niemals so offen mit ihr über diese Dinge geredet hätte. Nun teilte sie sein Geheimnis, das an diesem Ort keines mehr war. Dennoch freute es sie, ins Vertrauen gezogen zu werden.
» Ich wusste nicht, dass sie sogar ihre eigenen Bischöfe haben « , meinte sie nun und lehnte sich an Peyres. Nach kurzem Überlegen hob sie ihr Gesicht zu dem seinen.
» Ich glaube, das wird ihnen Schwierigkeiten bringen « , sprach sie zum ersten Mal offen ihre Bedenken aus. » Ich weiß, wie die heilige Kirche in Rom denkt. Sie wird solche Abweichungen von ihren Geboten und die völlige Missachtung ihrer Autorität auf Dauer nicht dulden. «
Ihr war ein wenig leichter zumute, als sie ihre Sorge in Worte gefasst hatte. Peyres zog sie in eine engere Umarmung.
» Derartige Gedanken mache ich mir auch manchmal « , gestand er. » Meine Schwester hat sich voll und ganz diesem Glauben verschrieben, ebenso wie deine, scheint es. Aber der ansässige Adel hält eine schützende Hand über die Katharer. Alle Einmischungsversuche Roms sind bisher daran gescheitert. Unsere Esclarmonde ist die Schwester der Grafen von Foix, Mutter des zukünftigen Herrn von L’Isle-Jourdain, und sie ist nur eine von vielen Anhängerinnen, gerade unter den edlen Damen. Falls die römische Kirche etwas bewirken will, müsste sie einen Krieg gegen die Landesherren führen. Dann bleibt abzuwarten, wie er ausgeht. «
Adelind fröstelte, als habe jemand einen kalten Hauch in ihren Nacken geblasen.
» Vielleicht kommt es ja nicht so weit. Vielleicht werden sie sich irgendwie einig « , versuchte sie sich selbst zu überzeugen, denn sie wollte in diesem Augenblick keinen düsteren Gedanken mehr nachhängen. Dann wandte sie sich wieder an Peyres.
» Vergiss nicht, mich holen zu kommen, wenn es Herbst wird « , mahnte sie, obwohl es ihr fast unangenehm war, derart zu drängen. Aber er sollte wissen, dass sie auf ihn wartete. Peyres legte seine Hände auf ihre Wangen und strich mit beiden Daumen sanft über ihre Lippen.
» Ich komme wieder, verlass dich drauf. Und ich hoffe, ich habe dich dann nicht an die Heiligen hier verloren. «
Seine Worte klangen spöttisch, doch vermeinte Adelind, einen Hauch echter Besorgnis darin zu vernehmen, was sie durchaus freute.
» Nein, mit Sicherheit nicht. Ich weiß jetzt, dass ich für ein solches Leben nicht geschaffen bin « , versprach sie. Nun, bei dem Duft von Harz und feuchtem Holz, der aus dem Wald drang, und unter einem völlig klaren, von funkelnden Sternen übersäten Himmel, schien es ihr unmöglich, dass diese Welt allein das Werk Satans sein sollte, dass jene warme Sehnsucht, die Peyres’ Nähe immer wieder in ihr weckte, nur schmutzig und verachtenswert war. Sie schlang ihre Arme um ihn und drängte zu einem Kuss. Diesmal gab sie sich nicht mit seiner vorsichtigen Zurückhaltung zufrieden, sondern presste sich immer heftiger an ihn, bis sein Atem schneller wurde und er mit einem Zug den Schleier von ihrem Kopf riss.
» Du bist wirklich nicht zur Heiligen geboren « , murmelte er, und sie spürte, wie seine Finger an der Verschnürung jenes strengen, züchtigen Gewandes, das sie kürzlich von Biatris erhalten hatte, nestelten. Für einen kurzen Moment zögerte sie, denn sie hatte nichts weiter als das Versprechen seiner Rückkehr. Doch ebenjene Angst, ihn vielleicht niemals mehr zu sehen, drängte sie dazu, seine Nähe zu suchen, sodass sie ihn schließlich selbst auf das feuchte Gras vor dem Baumstamm zog.
» Jetzt « , forderte sie. » Damit du weißt, dass ich auf dich warte, und mir mit keiner anderen Frau davonläufst. «
Er hielt für einen kurzen Moment inne, strich ihr sanft, fast
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