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Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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öffnen.
    Als Rosa sich durch die Tür schob, wäre Adelind ihr fast um den Hals gefallen. Nur das Bündel in ihren Armen hinderte sie daran.
    » Gib es mir « , meinte die blasse Katharerin. » Ich bin zwar noch keine Perfacha, aber vielleicht hilft es, wenn ich es segne, damit seine Seele sogleich in Gottes Reich eingehen kann. Es mag ja noch ein Funken Leben in ihm stecken. Wer bereits verstorben ist, dessen Seele hat den Körper schon verlassen, und niemand kann etwas für sie tun. «
    Sie musste einen verstörten Blick Adelinds wahrgenommen haben, denn sie fragte nun mit gerunzelter Stirn: » Meinst du denn nicht, dass deine Schwester den Wunsch hätte, die Seele ihres Kindes in Gottes Reich eingehen zu lassen? «
    Adelind sah sich nach Hildegard um, die in einen tiefen Schlaf gefallen war.
    » Ist es ein Junge oder ein Mädchen? « , fragte sie zaghaft. Rosa warf ihr einen staunenden Blick zu.
    » Wen kümmert es denn? «
    » Meine Schwester wird vielleicht wissen wollen, ob sie einen Sohn oder eine Tochter geboren hat « , beharrte Adelind. Eine Furche zwischen Rosas Brauen vertiefte sich, aber sie blickte zu dem toten Wesen hinab. Auf ihrem Gesicht malte sich nichts als Ekel, den sie mit der üblichen Selbstbeherrschung niederkämpfte.
    » Ein Junge, so scheint es. «
    Adelind zwang sich, ebenfalls die verbotene Stelle des kleinen Körpers anzusehen. Rosas Aussage war richtig gewesen, und sie begann zu überlegen, ob Hildegards toter Sohn nicht einen Namen erhalten sollte, bevor sein Körper auf ewig in der Erde verschwand. Indessen hatte Rosa ihre freie Hand auf die rote Stirn des kleinen Leichnams gelegt, die faltig war wie bei einem Greis. Ihre Lippen bewegten sich zu einem Segensspruch.
    » Ich habe getan, was ich konnte, auch wenn es wahrscheinlich nichts nützt, denn dieses Kind scheint mir eindeutig tot. Lass es uns hinter dem Haus begraben. Totes Fleisch riecht sehr bald unangenehm « , meinte sie dann, sichtlich erleichtert, ihre Pflicht erledigt zu haben. Adelind verstand nicht, warum auf einmal Tränen in ihrer Kehle würgten. Vielleicht hätte Hildegard einen lebendigen Sohn verdient, um sie mit allem Leid zu versöhnen, das mit seiner Zeugung verbunden gewesen war.
    Rosa trug das tote Kind entschlossen hinaus, und Adelind folgte. Mit bloßen Händen gruben sie ein Loch in die Erde, legten Hildegards Sohn hinein und schütteten das winzige Grab wieder zu. Adelind wischte sich immer wieder Tränen von ihren Wangen, sodass schließlich dunkle Erdklumpen an ihrem Gesicht klebten.
    » Lass diese Rührseligkeit « , mahnte Rosa. » Gott der Herr hat dieses Kind aus dem teuflischen Gefängnis des Körpers befreit und deiner Schwester den Weg zum Licht gezeigt. Das ist ein Grund zur Freude. «
    Plötzlich wurde Adelind sehr zornig, aber sie war zu ausgelaugt, um dem Gefühl nachzugeben.
    » Manchmal scheinen dein Glaube und deine Art zu denken mir grausam « , sagte sie nur. Rosas Augen weiteten sich zu verständnislosem Staunen.
    » Grausam wäre es gewesen, wenn dieses Kind der Sünde hätte leben müssen « , entgegnete sie und ging mit steifem, aufrechtem Rücken wieder in das Haus zurück. Adelind fühlte sich von einer unsichtbaren, unbekannten Gewalt niedergezwängt, vergrub ihr Gesicht in den Händen und weinte hemmungslos über dem namenlosen Grab eines namenlosen Kindes.
    Eine Weile später hatte sie sich wieder gefangen und ging ebenfalls zum Haus zurück. Im Kräutergarten hantierte Simon mit einem kleinen Messer, um Gewürze für das Mittagsmahl einzusammeln. Gemeinsam mit ein paar anderen alten Leuten, die hier untergebracht worden waren, wurde er mit einfachen Arbeiten beauftragt, wenn die Mädchen im Schulzimmer saßen. Nun blickte er kurz auf und nickte Adelind zu.
    » Ich habe schon alles gehört. Wie geht es Hildegard? « , fragte er.
    » Ich weiß es nicht. Sie hat geschlafen. Ich sehe jetzt nach ihr. «
    Er legte für einen Moment das Messer zur Seite.
    » Es ist sehr hart für eine junge Frau, wenn gleich bei der ersten Geburt das Kind stirbt. Richte ihr bitte mein Beileid aus. «
    Adelind wäre ihm in diesem Moment am liebsten um den Hals gefallen, denn bisher hatte noch niemand hier Mitgefühl für Hildegard ausgesprochen. Sie fühlte sich nicht mehr völlig in einer erbarmungslosen Welt verloren, als sie ins Haus trat. Rosas Schülerinnen waren bereits versammelt, denn die Lehrerin duldete keinerlei Müßiggang, selbst nach aufwühlenden Ereignissen wie einer Totgeburt. Durch die

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