Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
freilich
gar nichts mehr. Vor allem nicht, dass er so viele Schulden hat – oder vielmehr
hatte!«, fügte Berengar hinzu. »Gut nachzuvollziehen, dass er auf die Idee mit
dem Erpresserbrief kam! 100 Gulden waren anscheinend immer noch nicht genug.«
»Sieht ganz danach aus!«, bejahte Bruder Hilpert in
ernstem Ton. »Eines, Meister Scheuermann, würde mich in diesem Zusammenhang
freilich interessieren. Und zwar brennend.«
»Und was, Bruder? Etwa die Frage, ob die Reliquien
echt waren, die er feilgeboten hat?«
Bruder Hilpert senkte betreten den Kopf. »Nein«,
antwortete er desillusioniert. »Diesbezüglich bin ich mittlerweile Realist
genug.«
»Was dann?«
»Wer sie hergestellt hat. Und wo. Von der Frage, wie
der Warentransport vonstattengegangen sein könnte, ganz zu schweigen.«
Heribert zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, Bruder.
Ist das denn so wichtig?«
»Vielleicht«, antwortete Bruder Hilpert in
nachdenklichem Ton. »Vielleicht aber auch nicht. Wie dem auch sein – diesem
Büttner auf den Zahn zu fühlen, wäre wahrscheinlich keine üble Idee. Obwohl wir
im Moment ganz andere Sorgen haben.«
»So zum Beispiel die Frage, wer hinter den beiden
Morden steckt?«
»Ihr habt es erfasst!«, gestand Bruder Hilpert ein und
stützte das Kinn auf die Daumenkuppen, während er die Fingerspitzen aneinander
rieb. »Wobei wir unserem Ziel schon ein erhebliches Stück näher gekommen sind.«
»Ach, wirklich?«, machte Berengar aus seiner Skepsis
keinen Hehl.
»Selbstredend, mein Freund. Nur noch ein wenig Geduld.
Dann fallen uns die Früchte unserer Arbeit von ganz allein in den Schoß.«
»Dein Wort in Gottes Ohr!«
»Worauf du dich verlassen kannst!«, munterte Bruder
Hilpert Berengar auf. »Mit der Aufklärung der beiden Morde verhält es sich
nämlich genauso wie mit einem Mosaik. Ein paar Steine mehr, und der Dämon,
hinter dem wir her sind, geht uns in die Falle!«
»Und das hoffentlich bald!«, warf Bruder Wilfried ein.
»Der große Unbekannte, der dafür gesorgt hat, dass
mein Schwager eins über den Schädel bekam!«, fügte Heribert überflüssigerweise
hinzu. »Was wisst Ihr eigentlich über ihn, Bruder?«
»Viel zu wenig!«, musste der Angesprochene
eingestehen. »Wiewohl sich seine Spur immer deutlicher abzuzeichnen beginnt.«
»Vor allem auf meinem Schädel!«, übte sich Berengar in
Galgenhumor.
»Ziehen wir doch einmal Bilanz!«, schlug Bruder
Hilpert vor, der Berengars Sinn für Humor nicht immer teilte. »Also: Am
Freitagabend, etwa zwei Stunden vor Mitternacht, werden die Tore der Basilika
geschlossen. Fredegar von Stetten, seines Zeichens Chorherr, trifft eine verhängnisvolle
Entscheidung: Er lässt die Büsten mit den Reliquiaren nicht wieder zurück in
die Gruft transportieren, wo sie vor Dieben sicher gewesen wären. Ein Mitglied
des Domkapitels, bei dem es sich durchaus um den Täter handeln könnte, bestärkt
ihn in seinem Entschluss. Gesetzt den Fall, dies träfe zu, handelt es sich bei
ihm um genau den Mann, der Agilulf zu seiner Tat angestiftet hat. Jenen Mann,
mit dem mein Freund Berengar so schlechte Erfahrungen gemacht hat.«
»Und weiter?«, schaltete sich Heribert ein.
»Dann«, seufzte Bruder Hilpert, »so gegen elf, nimmt
das Verhängnis seinen Lauf. Agilulf, Gumpert der Schmied und ein gewisser
Ansgar brechen zu ihrem Raubzug auf. Gut möglich, dass Ersterer seine beiden
Kumpane über das Objekt seines Frevels bis zuletzt im Unklaren ließ. Wie dem
auch sei: Kurz bevor das Trio via Seitenpforte in die Basilika eindringt, tritt
Gumpert den Rückzug an. Was dann geschieht, ist teils klar, teils aber auch
nebulös. Sicher ist: Agilulf und besagter Ansgar dringen in die Basilika ein,
brechen die Sockel der Silberbüsten auf und bringen die Reliquienbehälter in
ihre Gewalt. Was mit der Beute geschieht, bleibt ungeklärt. Fest steht
allerdings, dass die beiden einen Erpresserbrief hinterlassen, der von Agilulfs
Halbbruder Wigbert verfasst worden ist. Der Preis für die Rückgabe der
Reliquien: 1000 Gulden. Mögliches Motiv: Schulden. Und ein gerüttelt Maß an
Habgier. Alles Dinge, die in Agilulf den Plan reifen ließen, sich nicht mit den
100 Gulden Handlohn zu begnügen und stattdessen den Versuch zu unternehmen,
seinen Auftraggeber mithilfe seines Halbbruders hinters Licht zu führen. Mit
dem Ergebnis, dass Agilulf hierfür mit dem Leben bezahlen muss. Wo er ermordet
wird und wie die Leiche an den Fundort gelangt, bleibt einstweilen ein Rätsel.«
»Und der
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