Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Kapuzenmann?«
»Genau hier liegt das Problem, Berengar. Eins ist
sicher: Er schöpft frühzeitig Verdacht. Kann sein, dass er Agilulf nicht über
den Weg getraut und ihm deshalb hinterherspioniert hat. Oder ihm sonst
irgendwie auf die Schliche kam. Tatsache ist, er läuft kurz nach Mitternacht
dem Mesner in die Arme. Und sucht unbehelligt das Weite. Ein Rückzug, der
allerdings nicht von Dauer ist. Will heißen: Binnen vierundzwanzig Stunden
fallen ihm sowohl Agilulf als auch seine Frau zum Opfer.«
»Und was nun?«, machte Berengar dem Schweigen, das auf
Bruder Hilperts Worte folgte, ein Ende.
»Gute Frage!« Bruder Hilperts Körper straffte sich,
und er sah die Anwesenden der Reihe nach an. »Da unser Mosaik längst noch nicht
vollständig ist, schlage ich Folgendes vor: Du, Berengar, knöpfst dir diesen
Büttner vor. Und vergiss nicht: Er ist mit allen Wassern gewaschen. Ein Mann,
vor dem man sich hüten muss. Wichtiger noch: Er darf nicht merken, dass wir
über seine halbseidenen Geschäfte im Bilde sind. Sonst wird es reichlich
ungemütlich für uns!«
»Wird gemacht!«
»An dich, Bruder Wilfried, die folgende Bitte: Nimm
diesen Gumpert noch einmal ins Gebet. Wäre doch gelacht, wenn nicht mehr aus
ihm herauszubringen ist!«
Bruder Wilfried nickte. »Und du?«, fragte er.
»Ich werde mir die Freiheit nehmen, einem gewissen
Eustachius von Marmelstein einen Höflichkeitsbesuch abzustatten.«
»Spricht etwas dagegen, wenn ich noch die eine oder
andere Quelle anzapfe?«, fügte Heribert mit Blick auf Bruder Hilpert hinzu.
»Keinesfalls!«, gab dieser zur Antwort und sah die
Gefährten der Reihe nach an. »Noch irgendwelche Fragen? Nein? Dann lasst uns zu
Werke gehen und uns bei Sonnenuntergang wieder hier treffen!«
Doch Bruder Hilpert hatte die Rechnung ohne die
Hausherrin gemacht. »Kommt überhaupt nicht infrage!«, wies sie ihn zur
allseitigen Belustigung zurecht. »Erst wird etwas Vernünftiges gegessen. Und
danach ausgeruht!«
*
›Haus der sieben
Sünden‹,
Ende der neunten
Stunde (16.00 Uhr)
Finsternis. Endlose Leere. Und diese alles beherrschende
Stille. So beklemmend, dass er dachte, er sei tot.
Doch dem war nicht so. Er hatte geschlafen, bisweilen
unruhig, aber dennoch tief. Was er getan hatte, wusste er nicht mehr. Und
wollte es auch nicht mehr wissen.
Bis er sich aus dem Meer seiner Albträume
emporgearbeitet hatte, verging eine Ewigkeit, und er brauchte viel Kraft, damit
es ihn nicht verschlang. Da war etwas, das ihn nicht richtig wach werden ließ.
Das ihn immer wieder in die Tiefe zog. Eine Verlockung, der zu entsagen schier
unmöglich war. War dies der Tod, der sich an ihn klammerte, wie eine Buhle, die
nach Liebkosungen lechzt?
Gleichwohl, er war nicht tot. Nur erschöpft.
Buchstäblich zu Tode erschöpft. Ein menschliches Wrack. Geschüttelt vom Fieber,
gepeinigt von Schmerzen, zerfressen vom Hass auf sich und die ganze Welt.
Lebendig begraben. Eine Kreatur, für die der Tod eine Erlösung war.
Wenn er denn nicht noch eine Mission zu erfüllen
gehabt hätte.
Er, Demetrius. Ein Krieger des Herrn. Der Mann, den
die Gefährten Kilian nannten.
Geraume Zeit lag Demetrius einfach nur auf dem Rücken,
hob die Hand vors Gesicht und begutachtete den goldenen Ring, den er trug. Hoc
signo victor eris! Die Andeutung eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Dann
überließ er sich wieder dem Strom seiner Gedanken. Ohne Gefühl für Zeit und
Raum, ohne eine wie auch immer geartete Empfindung zu verspüren. Er lag einfach
nur da und rührte sich nicht. Als hoffe er, seine Erinnerungen würden ihn dann
nicht mehr quälen.
Ein Trugschluss, wie er sehr wohl
wusste. Ein Sonnenstrahl zwängte sich durch die Fensterläden und traf auf den
Ring. Und schon war es passiert. Die Erinnerung an das Geschehene kam zurück,
schneller als befürchtet. Und mit ihr die Visionen, die ihn bis ins Reich der
Träume verfolgten. Dieser unwiderstehliche Drang, seine Mission zu Ende zu
führen.
Koste es, was es wolle.
Unter unsäglichen Schmerzen und noch wie betäubt vom
Schlaf, richtete sich Demetrius auf. Wie viel Zeit ihm wohl noch bleiben würde?
Wochen, Tage oder vielleicht nur Stunden? Er wusste es nicht. Eines jedoch
wusste er genau: Er hatte einen Auftrag. Und den galt es zu erfüllen.
Als die Glocken vier schlugen, hatte sich Demetrius so
weit erholt, dass er aus dem Bett kriechen konnte. Dies war zwar nur sein
Versteck, ein Unterschlupf, kein Vergleich mit der Kammer daheim. Unwohl
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