Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
hat!«
Bruder Hilpert ließ den Mittelfinger über die
Unterlippe gleiten und nickte zustimmend. »Durchaus möglich«, murmelte er.
»Weitaus interessanter scheint mir jedoch die Frage, ob der Mörder aus eigenem
Antrieb oder im Auftrag irgendwelcher Hintermänner agiert. Eines steht
jedenfalls fest: Die Morde auf seinem Konto sind von Mal zu Mal grausamer
geworden. Was auf eine geradezu diabolische Rücksichtslosigkeit oder hohen
seelischen Druck schließen lässt. Oder beides. Und vor allem: Wann wird das
Blutvergießen ein Ende haben? Und wo sind die Reliquien? Wenn er die nicht in
die Hände bekommt, wird es vermutlich weitere Opfer geben.«
»Und an wen hast du dabei gedacht?«
Bruder Hilpert setzte zu einer Erwiderung an, hielt
jedoch inne und schüttelte bedächtig den Kopf: »Nein, das wird er nicht
wagen!«, sprach er zu sich selbst. »Es sei denn … nein … so weit würde er
gewiss nicht gehen!«
In der Erkenntnis, dass Bruder Hilpert nichts so sehr
hasste wie Spekulationen, gab Bruder Wilfried das Nachhaken auf. »Und wie geht
es jetzt weiter?«, versuchte er, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.
»Gute Frage!«, antwortete Bruder Hilpert und fuhr mit
der Handfläche an den Schläfen entlang. »Meiner Meinung nach wäre es das Beste,
wenn wir –«
»Guten Abend, allerseits!«, fuhr ihm eine allseits
bekannte Stimme fulminant in die Parade. »Warum so bedrückt?«
Wenn Blicke töten könnten, hätte Berengars Schwager
Heribert beim Anblick seiner Frau eigentlich tot umfallen müssen. Allein, er
tat dies nicht, wenngleich sich seine Miene im Zuge der nun folgenden
Einflüsterungen seiner besseren Hälfte schlagartig zu verdüstern begann. »Aber
das gibt’s doch nicht!«, rutschte es ihm heraus, bevor er die Hand vor sein
sperrangelweit offenes Sprechorgan schlug.
»Und ob!«, trug Berengar seinen Teil zur Konfusion des
Hausherrn bei, während er in den Kreis der betreten dreinblickenden Anwesenden
trat. »Und was nun?«
»Fragen wir lieber den Hausherrn, ob seine
Erkundigungen von Erfolg gekrönt waren!«, schlug Bruder Hilpert vor.
Heribert blähte die von roten Äderchen durchzogenen
Backen auf und ließ einen Schwall Atemluft entweichen. »Das kann man wohl
sagen!«, verkündete er mit der Miene einer Sphinx. »Wenngleich mir das, was ich
zu berichten weiß, geradezu die Schamröte auf die Wangen treibt!«
»Jetzt mach’s nicht so spannend!«, erstickte Sieglinde
Heriberts Hang zur Selbstdarstellung im Keim. »Bis zum Jüngsten Tag hat Bruder
Hilpert keine Zeit!«
»So, wie ich ihn kenne, wird er sie sich bestimmt nehmen!«,
parierte der Hausherr die Attacke seiner Frau. Und fügte mit Blick auf Stoffel
hinzu: »Vorausgesetzt, wir sind unter uns!«
»Keine Sorge, Meister Heribert!«, wusste Bruder
Hilpert seine Bedenken zu zerstreuen. »Der gute Mann hier ist ein wichtiger
Zeuge und noch dazu verschwiegen wie ein Grab. Hab ich recht, Stoffel?«
Noch ganz unter dem Eindruck des wahrhaft königlichen
Mahls, gab der Bettler einen zustimmenden Laut von sich.
»Lasst hören, Meister Heribert!«, konnte Bruder
Hilpert seine Neugier fast nicht mehr bezähmen. »Was habt Ihr uns zu
berichten?«
»Kaum zu glauben, was es so alles gibt!«, schüttelte
Berengars Schwager den Kopf. »Nicht genug damit, dass von Marmelstein, diese
fette Qualle, beim Reliquienhandel kräftig mitverdient. Beziehungsweise sein
Herr und Meister droben auf der Burg. Praktiken wie diese sind heutzutage ja
schon fast normal. Gemessen an dem, was der Herr Domkapitular sonst noch auf
dem Kerbholz hat.«
»So zum Beispiel seine Vorliebe für Knaben?«
Heribert war so perplex, dass ihm die Kinnlade
herunterklappte, und sein Respekt vor Bruder Hilpert war noch nie so groß
gewesen wie in diesem Moment. »Woher wisst Ihr das, Bruder?«, fragte er, der
festen Überzeugung, dass es hier nicht mit rechten Dingen zuging.
»Später!«, beschied ihm Bruder Hilpert knapp.
»Zunächst einmal Euer Bericht! Und wenn wir gerade dabei sind: Woher habt Ihr
eigentlich Eure Informationen?«
»Von Samuel Isaaksohn, Geldverleiher am Oberen Markt.
Die beste Quelle, die man überhaupt anzapfen kann.«
»Und weshalb?«
»Weil die halbe Stadt bei ihm in der Kreide steht. Und
davon nicht wenige – mit Verlaub, Bruder – Pfaffen. Wenn einer wie Marmelstein
die Konzession für die Exklusivrechte am Reliquienhandel um das Doppelte
erhöht, ist bestimmt etwas faul!, hab ich mir gesagt. Dann handelt er entweder
auf Befehl seines Herrn,
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