Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
verwiesen.
»Ich höre, mein Sohn! Welche Kunde bringt Ihr uns?«,
gab sich Bruder Hilpert merklich zugeknöpft. »Wie heißt Ihr überhaupt?«
»Giacomo, Signore!«, stieß der Höfling atemlos hervor
und deutete eine Verbeugung an. »Kammerdiener des Herrn von Marmelstein!«
Bruder Hilpert, Berengar und Bruder Wilfried fuhren
zusammen und wechselten einen überraschten Blick.
»Und was bringt Euch hierher, Signore?«, fragte Bruder
Hilpert. »Nur keine Scheu – Ihr habt nichts zu befürchten!«
Die Züge des Kammerdieners hellten sich auf, wenn auch
nur kurz. »Die pure Verzweiflung!«, keuchte von Marmelsteins Faktotum, den
Tränen nah. »Man stelle sich vor: Mein Herr ist tot!«
»Er ist was?!«, rief Bruder Hilpert bestürzt aus.
»Si, Signore!«, bekräftigte der Italiener mit
tränenfeuchtem Blick. »Er ist tot – so wahr mein Name Giacomo ist! Schlimmer
noch: Er hat sich umgebracht! Mit Gift! Nicht einmal eine halbe Stunde ist
vergangen, seit ich ihn gefunden habe! Tot! Einfach so! Madonna Santa, wie
konnte das nur geschehen?«
»Und wie kam es, dass gerade Ihr ihn gefunden habt?«
»Bevor sich der gnädige Herr zur Ruhe begab, hat er
mir strikte Anweisung erteilt, ihn bis morgen früh nicht zu wecken. Das hat er
bis jetzt noch kein einziges Mal gemacht. Normalerweise bleibt er lange wach.
Teilweise sogar bis nach Mitternacht. Versteht Ihr, Signore? Mir kam die Sache
ganz einfach spanisch vor. Deswegen habe ich noch einmal angeklopft. Als ich
keine Antwort bekam, habe ich die Tür aufgebrochen.«
»Das heißt, sie war abgeschlossen?«
»Precisamente! * Ein schlechtes Zeichen. Der Herr Domkapitular pflegte
nämlich sonst nicht abzuschließen. Nie.«
»Und dann?«
»Dann habe ich ihn auf seinem Ruhebett liegen sehen.
Als halte er seinen Mittagsschlaf. Aber dann fand ich den Becher. Und mir ist
dieser unverwechselbare Geruch in die Nase gestiegen. Ab da war mir alles
klar.«
Bruder Hilpert, der die neuerliche Hiobsbotschaft erst
einmal verdauen musste, machte ein betroffenes Gesicht. Dann fragte er:
»Versteht mich bitte nicht falsch, Signore – wieso wendet Ihr Euch in dieser
Angelegenheit eigentlich an mich?«
Der Kammerdiener schlug die Handfläche gegen die
Stirn. »Ach so, der Brief!«, rief er zerstreut. »Wie konnte ich das nur
vergessen! Verzeiht mir, Bruder, aber ich bin immer noch völlig durcheinander.«
Dann riss er beschwörend die Hände empor, kramte einen versiegelten Umschlag
aus seinem buntscheckigen Wams und drückte ihn Bruder Hilpert in die Hand.
»Ein Brief?«, entfuhr es Berengar, bevor Bruder
Hilpert zu Wort kam. »Hochinteressant.«
»Abwarten!«, erwiderte sein Freund zerstreut, für
Berengars Geschmack allerdings eine Idee zu barsch.
»Ihre Magnifizenz mögen verzeihen!«, erwiderte dieser
prompt. »Für den Fall, dass du es vergessen hast: Jeder von uns hat sein Kreuz
zu tragen!«
»Das weiß ich, mein Freund!«, lenkte Bruder Hilpert
ein, während er das Siegel erbrach. »Glaube mir: Wenn die Not am größten ist,
wird dem, der sich seiner Fürsorge würdig erweist, ein Fingerzeig des Herrn
zuteil.«
»Wäre auch langsam Zeit!«, brummte Berengar und
verschränkte die Arme vor der Brust.
Bruder Hilpert indes war so sehr in seine Lektüre
vertieft, dass er nur noch mit einem Ohr hinhörte. Als er den Brief fertig
gelesen hatte, begann er von vorn, während sich seine Miene spürbar erhellte.
Berengar und Bruder Wilfried tauschten einen überraschten Blick und traten
näher.
»Und?« Berengar schien vor Neugierde förmlich zu
platzen. »Irgendetwas von Bedeutung?«
Bruder Hilpert ließ den Brief sinken, sah ihn
geistesabwesend an und flüsterte: »Das kann man wohl sagen!«
»Und was?« Berengar verzog das Gesicht. Bei Bruder
Hilpert wusste man bisweilen wirklich nicht, woran man war.
»Sieht so aus, als hätte unser Phantom einen Namen!«,
murmelte sein Freund, aber so, als habe er es nicht mit ihm, sondern einem
imaginären Spiegelbild zu tun.
»Worauf warten wir dann noch?«, konnte Berengar sein
Temperament kaum noch zügeln. »Wenn du glaubst, den Mörder zu kennen, warum
schnappen wir ihn uns nicht?«
»Glauben heißt bekanntlich nicht wissen!«,
beschwichtigte Bruder Hilpert den Freund. »Was wir brauchen, sind Beweise.
Solche, mit denen sich etwas anfangen lässt. Der Mann, mit dem wir es hier zu
tun haben, wird sich seiner Haut zu wehren wissen. Auf bloße Vermutungen oder
voreilige Schlussfolgerungen können wir uns folglich nicht stützen. Wie
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