Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
gesagt:
Wir brauchen Beweise. Zeugen. Unwiderlegbare Fakten. Sonst werden wir uns eine
blutige Nase holen. Und vor allem: Wir müssen die Spur zu den Hintermännern
finden, in deren Auftrag dieser Mann tätig ist.« Bruder Hilpert atmete tief
durch. »Erst dann, wenn alles wasserdicht ist, werden wir uns die Freiheit
nehmen, diese Bestie in Menschengestalt nach allen Regeln der Kunst in die Enge
zu treiben. Und dann Gnade ihm Gott! Er wird seine gerechte Strafe bekommen.
Das sind wir seinen Opfern schuldig. Auch wenn sie allesamt keine Heiligen
waren.«
Berengar gab ein zustimmendes Nicken von sich, und
Bruder Wilfried ebenso. »Willst du uns nicht wenigstens sagen, wie er heißt?«,
beharrte Berengar, aber die letzten drei Worte seiner Frage gingen in lautem
Gepolter und aufgeregtem Rufen unter. Der Lärm kam von draußen, direkt aus der
Diele, und bevor einer der Anwesenden reagieren konnte, wurde die Küchentür
aufgerissen und Sieglinde stürzte herein.
»Heribert, du musst sofort kommen!«, forderte sie
ihren Gatten ultimativ auf. »Und du auch, Berengar! Jetzt steht nicht rum und
haltet Maulaffen feil! Tut, was ich euch sage, sonst ist es zu spät!«
»Was ist denn überhaupt los?«
»Das wirst du schon sehen, Bruder! Und jetzt komm –
und Ihr, Bruder Hilpert, kommt am besten gleich mit!«
Dicht gefolgt von Bruder Hilpert, hetzte Berengar
hinter seiner Schwester her, die mit gerafftem Rock in Richtung Haustür
stürmte. Die Stundenglocke im Dominikanerkloster gegenüber schlug neun Mal, und
im gleichen Moment, als Berengar auf die Gasse stürzte, blieb er wie
versteinert stehen. Giacomo, der ihm auf dem Fuße folgte, ebenso.
Keine drei Schritte von ihm entfernt lag eine Frau.
Sie sah aus wie tot, ein Eindruck, der durch das flackernde Windlicht in der Hand
der wie Espenlaub zitternden Magd noch verstärkt wurde. Sie war wunderschön,
trotz oder gerade wegen des schlichten Wollkleides, das sie trug. Das Gesicht,
welches sämtliche Bildhauer dieser Welt, sogar die italienischen, vor Neid
hätte erblassen lassen, war leicht zur Seite geneigt. So, als suche sie seinen
Blick. Heribert, sein Schwager, kniete neben ihr, noch verzweifelter als die
sommersprossige Magd. Als er Berengar bemerkte, sah er fragend zu ihm auf.
Berengar erwiderte seinen Blick, ebenso konsterniert
wie er. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der auf dem Pflaster
liegenden, wie leblos wirkenden Frauengestalt zu.
Und dann, ganz allmählich, so als lüfte sich ein
Schleier vor seinem Gesicht, begann Berengar von Gamburg zu begreifen.
Er kannte diese Frau.
Vorsichtig ausgedrückt.
Und er hätte alles getan, damit sie ein Lebenszeichen
von sich gab.
»Irmingardis!«, rief er aus, aber da war Bruder
Hilpert bereits niedergekniet, hatte den Arm unter ihre Achsel geschoben und
sie sanft emporgehoben.
Berengar sah tatenlos zu. Er war wie gelähmt. Erst als
Bruder Hilpert im Begriff war, die junge Frau ins Haus zu tragen, wachte er aus
seiner Erstarrung auf.
Und dann geschah es. Irmingardis schlug die Augen auf,
lächelte ihn an – und fiel zurück in die Ohnmacht, der sie einen Wimpernschlag
lang entronnen war.
*
»Und was nun?« Als sich die Tür ihres Schlafgemaches
hinter Sieglinde schloss, sah Berengar alles andere als glücklich aus. Die
Sorge um Schwester Irmingardis stand ihm ins Gesicht geschrieben, mehr als
allen anderen im Haus.
Wohl wissend, dass die Ordensfrau über den Berg und
bei Sieglinde bestens aufgehoben war, zog Bruder Hilpert die richtigen Schlüsse
daraus, lächelte den Freund an und sprach: »Ruhig Blut, Berengar! Alles, was
Schwester Irmingardis jetzt braucht, ist Ruhe. Und nochmals Ruhe. Von daher
mein Vorschlag, sie nicht um den wohlverdienten Schlaf zu bringen. Was ihr
widerfahren ist, erfahren wir noch früh genug. Wie du siehst, ist deine
Schwester rührend um sie besorgt. Und du ja wohl auch.« Bruder Hilpert konnte
sich ein neuerliches, ungleich gelösteres Lächeln nicht verkneifen. »Damit du
dir nicht weiter unnötig Sorgen machst, würde ich vorschlagen, du bleibst erst
einmal hier. In ihrer Nähe. Oder an ihrer Seite – je nachdem!«
»Und ihr?«
»Wir beide werden alles tun, um den Mörder dingfest zu
machen.«
»Und ich?«, fragte Heribert gekränkt und sah Bruder
Hilpert und Wilfried mit schelmischem Grinsen an. »Jetzt, wo mir eheliche
Freuden fürs Erste verwehrt bleiben, könnte ich Euch doch sicherlich von Nutzen
sein!«
»Nichts lieber als das, Meister
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