Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Dominikanerklosters zu Mergentheim einen
geringschätzigen Seitenblick zu. Ein Blick, der nichts Gutes verhieß. »Ich weiß
nicht, ob Fauxpas die richtige Bezeichnung für Euer jämmerliches Versagen
ist!«, zischte er. »Oder wie darf ich es verstehen, wenn uns statt Eures
Gewährsmannes dieser – wie hieß er doch gleich …?«
»Heiner, ehrwürdiger Vater.«
»… wenn uns statt Eures Gewährsmannes dieses
impertinente Lästermaul von einem Torwächter in Empfang genommen hat?!« Aus den
dunklen, zwischen einem Paar zusammengepresster Lider kaum mehr erkennbaren
Augen des Kardinaldiakons schoss ein wahres Bündel von Blitzen. »Könnt Ihr Euch
überhaupt vorstellen, Bruder, was hätte passieren können, wenn einer meiner
Männer nicht so schnell und effektiv gehandelt hätte?!«
Bruder Lothar schluckte, wusste er doch nur zu genau,
worauf die Bemerkung des Kardinaldiakons anspielte. »Nein!«, räumte er reumütig
ein, »lieber nicht!« Um in einem jähen Anflug von Keckheit hinzuzufügen: »Zumal
mich Eminenz über Sinn und Zweck Ihrer Mission im Unklaren zu belassen
geruhten.«
»Gehe ich fehl in der Annahme, Bruder«, ließ Colonnas
Zurechtweisung nicht lange auf sich warten, »dass Ihr dem Heiligen Stuhl und mir
gegenüber zum unbedingten Gehorsam verpflichtet seid – was immer auch geschehen
mag?« Im Lichtkegel der Öllampe, welche an der Decke der Sakristei hing, warf
die Gestalt des Kardinaldiakons einen überdimensionalen Schatten an die Wand.
Er war so groß, dass das Bildnis der Muttergottes darunter verschwand. Der
Kardinaldiakon, dessen Gesicht wie ein Totenkopf aussah, bemerkte es jedoch
nicht, und seine Worte klangen dem Prior wie Geißelhiebe in den Ohren:
»Insbesondere deshalb, weil Euer Orden die väterliche Zuneigung des Heiligen
Vaters genießt? Nennt Euch der Volksmund doch nicht zu Unrecht Domini Canes –
Spürhunde des Herrn! Wer, wenn nicht die Dominikaner, wäre demzufolge besser
imstande, die Befehle des Heiligen Vaters widerspruchslos auszuführen?«
Bruder Lothar nickte devot, den Blick auf ein Gemälde
geheftet, welches das Martyrium eines Mitbruders aus längst vergangenen Tagen
zeigte. Dieser wies eine klaffende Kopfwunde auf, weshalb er sich die Frage
stellte, welche Folgen besagter Gehorsam gegenüber einem vom Konzil zu Konstanz
rechtskräftig abgesetzten Papstes für ihn haben könne. Zugegeben, er hatte für
Johannes XXIII. und seinen Gefolgsmann Colonna Partei ergriffen. Und musste mit
dieser Entscheidung leben. Die Frage war nur, ob er sie im Angesicht der
jüngsten Ereignisse am Ende nicht doch bereuen würde.
Als könne er Gedanken lesen, wandte sich Colonna dem
Prior zu, rückte sein Brustkreuz zurecht und bedachte ihn mit einem strafenden
Blick, wie der Abt einen unbotmäßigen Novizen. Sein scharlachrotes, wie
blutdurchtränkt wirkendes Habit ließ Bruder Lothar vor Ehrfurcht erstarren, und
was Colonnas Ornat nicht bewirkte, vollbrachte seine messerscharfe Stimme:
»Damit wir uns recht verstehen, Bruder: Die Zeit, es Euch anders zu überlegen,
ist unwiderruflich vorbei. Ihr habt Euch der Sache des Heiligen Vaters, die
auch die meinige ist, verschworen. Und das bereits vor längerer Zeit. Woran
sich im jetzigen Stadium meiner Mission nichts ändern darf und wird. Habe ich
mich diesbezüglich klar ausgedrückt, Bruder?!«
Ein erneutes Nicken, noch devoter als zuvor. Und die
schüchterne Frage: »Und wann werdet Ihr von hier aufbrechen, Eminenz?«
»Morgen Abend. Eine Stunde nach Sonnenuntergang. Von
daher auch mein väterlicher Rat, dieses Mal den richtigen Mann am Tor zu platzieren.
Und Euch der Leiche dieses hergelaufenen Tölpels auf diskrete Art und Weise zu
entledigen.«
»Eminenz können sich voll und ganz auf mich
verlassen.«
»Sehr schön!« Mit kaum noch zu überbietender
Herablassung reckte Oddo di Colonna dem Prior des Dominikanerklosters zu
Mergentheim seinen Siegelring entgegen, den dieser umständlich küsste. »Noch
irgendwelche Fragen?«
»Nur eine einzige, Eminenz.«
»Und die wäre?«
»Wohin wird die Reise Eurer Eminenz gehen?«
»Wie gesagt, Bruder: Das kann und will ich Euch nicht
sagen.«
»Und warum nicht?«
In Gedanken bereits bei Demetrius, dem Mann, auf dem
all seine Hoffnungen ruhten, flog ein eiskaltes Lächeln über Oddo di Colonnas
Gesicht. »Weil der Freund, den ich zu treffen hoffe, Euch dann töten würde!«,
versetzte er mit gleichmütigem Ton, öffnete die Tür der Sakristei und strebte
dem Chorgestühl zu, wo die
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