Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Scheuermann!«
»Und was, Bruder Hilpert, habt Ihr mit mir vor?«
»Euch mit einer überaus heiklen Mission zu betrauen.
Vorausgesetzt, Ihr stimmt zu.«
»Ich soll diesen Lustknaben aufspüren und ihn mir einmal
ordentlich zur Brust nehmen, stimmt’s?«
»Genau. Jedoch ohne die Sache auf die Spitze zu
treiben!«, warf Berengar trocken ein.
Froh darüber, dass sich sein Freund von seinem Schreck
zu erholen begann, warf Bruder Hilpert einen Blick in die Runde und lächelte
die Gefährten aufmunternd an. »Dann wären wir uns ja fast einig!«, fuhr er
erleichtert fort. »Ihr, Meister Scheuermann, seid so gut und kümmert Euch um
besagten Knaben. Um wen es sich bei ihm auch immer handeln mag. Sprecht
nochmals bei Isaaksohn vor, schildert ihm die Dringlichkeit des Falles und
entlockt ihm den Namen dieser Kreatur. Das heißt, falls er ihn nicht schon
längst kennt.«
»Wird gemacht.«
»Und du, Wilfried, knöpfst dir diesen Abdecker vor.
Wäre doch gelacht, wenn er nicht zum Reden zu bringen wäre.«
»Geht in Ordnung. Und du, Bruder?«
Bruder Hilpert rieb die Handflächen aneinander, zog
einen zerknitterten Zettel aus seiner Kukulle und hielt ihn für jedermann
sichtbar ich die Höhe. »Was mich betrifft, habe ich noch eine Verabredung. Wie
spät ist es eigentlich?«
Der Hausherr warf dem Stundenglas auf der Kommode
neben der Tür einen flüchtigen Seitenblick zu. »Etwa eine Stunde vor
Mitternacht«, sagte er. »Wieso?«
»Höchste Zeit!«, erwiderte Bruder Hilpert, ohne auf
Heriberts Frage einzugehen.
»Der fehlende Teil des Kleeblatts?«, warf Bruder
Wilfried ein.
»Exakt! Der bereits mehrfach erwähnte Ansgar. Gumperts
und Agilulfs Blutsbruder. Ebenjener Mann, der mir und Berengar heute Mittag
aufgelauert hat.«
»Ratsam, sich vor ihm zu hüten.«
»Stimmt, Berengar.«
»Was hat dieser Galgenvogel deiner Meinung nach vor?«
»Die Frage aller Fragen. Aber wer weiß – vielleicht
hat er auch nur Angst.«
»Und wovor?«
»Wenn überhaupt, dann vor diesem … vor dem
Kapuzenmann, meine ich.«
Eine weitere Sorgenfalte trat auf Berengars Stirn,
beileibe nicht die einzige an diesem Tag. »Und du willst uns wirklich nicht
sagen, wer der Verdächtige ist?«
Bruder Hilpert schüttelte den Kopf. »Tut mit leid,
mein Freund. Du wirst dich noch eine Weile gedulden müssen. Zumindest bis
morgen früh. Dann sehen wir bestimmt klarer.«
»Und wann treffen wir uns?«
»Spätestens bei Sonnenaufgang. Und nun, treue
Gefährten – mit Gottes Hilfe ans Werk!«
*
Bischöfliche
Gemächer, kurz vor Mitternacht
Noch eineinhalb Tage. Dann würde sich sein Schicksal
entscheiden.
Johann von Brunn seufzte, stützte das Kinn auf den
Daumen und starrte auf die Stundenkerze, die vor ihm auf dem Schreibtisch
stand. Sie war fast heruntergebrannt, die einzige Lichtquelle in seinem Gemach.
Ein paar Augenblicke noch, und er säße im Dunkeln.
Der Bischof nahm jedoch kaum Notiz davon. Er hatte
andere Sorgen. Jede Menge sogar. So drückend, dass sie ihm den Schlaf raubten.
Da war zum einen die leidige Angelegenheit mit den
Kilianreliquien. Eine Affäre, die ihm glatt den Kopf kosten konnte. Und
vielleicht auch würde. Es sei denn, dieser Hilpert würde im letzten Moment ein
Wunder vollbringen. Am besten innerhalb der nächsten sechsunddreißig Stunden.
Doch daran glaubte selbst er nicht mehr.
Und überhaupt – Demetrius! Und dann erst diese Ordensschwester,
die im Skriptorium erwischt worden war! Wozu eigentlich ihre Nachforschungen,
ihre impertinenten Schnüffeleien? War dies eine groß angelegte Intrige, ein
Komplott des Domkapitels, das darauf abzielte, ihn endgültig zur Unperson zu
stempeln? Johann von Brunn ballte die Rechte zur Faust. Nicht die Spur von
einem Indiz. Weder im Hinblick auf eventuelle Drahtzieher, noch in Bezug auf
das Versteck dieser Irmingardis, die Hals über Kopf geflüchtet war. Und das
trotz seines ausdrücklichen Befehls, sie nicht aus den Augen zu lassen.
Einfach zum Haare Raufen.
Von dem mittlerweile halben Dutzend Depeschen hoher
Kirchenfürsten gar nicht zu reden. Die Gebeine der Heiligen Drei Könige:
gestohlen. Ebenso die von König Heinrich II. und seiner Gemahlin Kunigunde. Die
letzte Ruhestätte von Stankt Ulrich und Afra zu Augsburg: geplündert. Die
Gebeine des heiligen Bonifatius: verschollen. Und so weiter und so fort.
Raub, Mord und Grabschändungen. Und Hiobsbotschaften
im Stundentakt.
Das reinste Martyrium.
Johann von Brunn vergrub das Gesicht in den Händen
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