Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
ausgespien. »Wer seid Ihr, dass Ihr es
wagt, die Ruhe dieses Ortes zu stören?«, fuhr er Berengar mit gezogener Klinge
an. Und als hätte es eines Beweises seiner Überheblichkeit bedurft, ließ er das
flache Ende seines Schwertes wiederholt in die geöffnete Fläche seiner linken
Hand fallen.
Dies war natürlich genau der Ton, um Berengar zur Weißglut
zu treiben, doch kam ihm Bruder Hilpert mit seiner Antwort zuvor: »Mein Name
ist Hilpert, Bruder Hilpert, und der freundliche Recke zu meiner Linken
ist mein Freund Berengar. Vogt des Grafen von Wertheim, wie ich korrekterweise
betonen muss. Und wie, junger Freund, heißt Ihr?«
Ein Flackern, heller noch als bei einem auflodernden
Feuer, trat in die Augen des jungen Mannes. Augen, deren Blick standzuhalten
fast unmöglich war. Es sei denn, man hieß Hilpert und kannte sich in den
Abgründen der menschlichen Seele bestens aus.
»Bonifatius!«, erwiderte der Kapuzenmann in einer
Weise, dass es nicht nur Bruder Hilpert eiskalt den Rücken hinunterlief. »Und
nun – mit Verlaub: Entfernt Euch und lasst meine Brüder und mich tunlichst
allein!«
»Bedaure, aber das wird nicht gehen.«
»Und wieso nicht, Bruder? Habe ich mich etwa nicht
klar genug ausgedrückt?«
Täuschte er sich, oder hatte Bruder Hilpert sein
Gegenüber nicht zusammenzucken und an einem imaginären Gegenstand Halt suchen
sehen? »Das habt Ihr, mein Sohn. Wobei ich betonen muss, dass mein Freund
Berengar und ich Eurer Aufforderung nicht Folge leisten können. Oder vielmehr
werden. Ganz gleich, was Ihr sonst noch alles auf Lager habt!«
Der Wechsel in Bruder Hilperts Tonlage kam so
überraschend, dass es dem Kapuzenmann glatt die Sprache verschlug. Zeit für
Bruder Hilpert, ihn näher in Augenschein zu nehmen und seinen Verdacht
bestätigt zu finden.
Flackernder Blick, Schweißtropfen auf der Stirn. Immer
rascher gehender Atem und ein Paar Augenpaare, die kaum noch in der Lage waren,
ihn zu fixieren.
Irgendetwas an seinem Kontrahenten stimmte nicht. Ein
Eindruck, der sich umgehend bestätigen sollte: »Wie … wie könnt Ihr es …«,
setzte der Mann zu einer Erwiderung an, bevor sich sein Jähzorn urplötzlich in
nichts auflöste. Der Griff um den Schwertknauf lockerte sich, und ehe es sich
Bruder Hilpert versah, entglitt die Waffe seiner Hand, schlug auf den
Steinfliesen auf und blieb dort liegen. Es gab nichts, was der junge Mann
dagegen tun konnte, weder gegen die Krämpfe, unter denen er sich wand, noch
gegen den Schaum, der aus seinen wild zuckenden Mundwinkeln drang. Die Hände
gegen den Magen gepresst, taumelte der Kapuzenmann bald nach rechts, dann nach
links, bis er am Ende das Gleichgewicht verlor und mit einem erstickten Röcheln
zu Boden sank.
Erst jetzt, da ihr Gegenspieler außer Gefecht gesetzt
war, lösten sich die Anwesenden aus ihrer Erstarrung, allen voran Bruder
Hilpert, der neben dem jungen Mann niederkniete, sich hinunterbeugte und in
beschwörendem Ton auf ihn einzureden begann: »Wie lautet Euer richtiger Name?«,
flüsterte er, in der vagen Hoffnung, die Wahrheit zu erfahren.
Kaum noch Herr seiner selbst, zwang sich der junge
Mann zu einem Lächeln. »Gebt … gebt Euch keine Mühe, Bruder!«, röchelte er, dem
Tode nah. »Ihr werdet ihn nicht erfahren!«
»Wer hat Euch dazu angestiftet, Schindluder mit den
Reliquien unserer Heiligen zu treiben? Und wieso? Wer ist der Mann, bei dem
alle Fäden zusammenlaufen?! Und wer in der himmlischen Heerscharen Namen hat
Euch so sehr unter Druck gesetzt, dass ihr es vorzieht, den Giftbecher zu
leeren, anstatt …«
»Hilpert, da!«
Berengars Stimme klang so aufgeregt, dass sie sich
fast überschlug. Bruder Hilpert wirbelte herum, erhob sich und starrte mit
ungläubigem Blick zum Altar. Paradoxerweise fiel ihm als Erstes der silberne
Kelch auf der Mensa auf, weniger das halbe Dutzend kniender Gestalten, die dem
jungen Mann zu seinen Füßen zum Verwechseln ähnlich sahen. Dies sollte sich
jedoch rasch ändern. Kaum hatte er sich nämlich voll und ganz auf sie
konzentriert, sank einer nach dem anderen nahezu lautlos in sich zusammen.
Der junge Mann, der von all dem nichts mitbekam,
lächelte. Im Verlauf seines Todeskampfes war ihm die Kapuze vom Kopf gerutscht,
unter der sein kurz geschorenes Haar und die faltenlosen Züge zum Vorschein
kamen. Züge eines bleichgesichtigen, gerade dem Jünglingsalter entwachsenen
Mannes, die sich jetzt, nur ein paar Lidschläge vom Jenseits entfernt, merklich
entspannten. »Nichts für ungut,
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