Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Brunn mit der Faust
auf den Tisch. »Wie bitte?! Habe ich da eben richtig gehört? Wer seid ihr, dass
Ihr Euch erdreistet, mir, dem rechtmäßig gewählten Bischof, meine angestammten
Rechte streitig zu machen?«
»Ich denke, wir können es kurz machen, Euer Gnaden.
Wenn ich die Situation im hiesigen Bistum richtig einschätze, würde sich das
Domkapitel die Finger danach lecken, mehr über die fleischlichen Eskapaden
Ihrer Bischöflichen Gnaden zu erfahren. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Eben noch der Jähzorn in Person, wich die Farbe aus
seinem Gesicht, und Johann von Brunn ließ sich wieder in seinen Lehnstuhl
sinken. »Und was noch?«
»Ad zwei: Ihr werdet Euch eidlich verpflichten, die
aus dem Benediktinerinnenkloster St. Afra zu Würzburg geflohene Schwester mit
Namen Irmingardis hinfort nicht mehr zu behelligen.«
»War das alles?«
»Mitnichten, Euer Gnaden.«
»Was denn noch?«
»Ihr werdet – ad drei – dafür Sorge tragen, dass ein
gewisser Eckehard Büttner, genannt ›der Abdecker‹, sämtliche Bürgerrechte
verliert, sein Vermögen zugunsten des Siechenhauses eingezogen wird und er
binnen achtundvierzig Stunden die Stadt verlassen muss.« Bruder Hilpert holte
kurz Luft und sah Bischof Johann mit versteinerter Miene an. »Einverstanden?«
Ein Nicken, das knapper nicht ausfallen konnte. »Ende
der Litanei?«
»Nur noch ein wenig Geduld.« Bruder Hilpert stemmte
die Handflächen gegen die Hüften und richtete sich zu voller Größe auf. »Ad
vier: Ihr werdet dafür Sorge tragen, dass sämtliche Opfer Eures … des unter dem
Namen Demetrius bekannten Domkapitulars ein würdiges Begräbnis erhalten,
wenngleich sie allzumal Sünder waren. Habe ich Euer Wort?«
»Habt Ihr.«
Bruder Hilpert tippte den kleinen Finger seiner
rechten Hand an, ein verschmitztes Lächeln im Gesicht. »Ad fünf: Aus Anlass der
Kilianimesse werdet Ihr eine Armenspeisung ausrichten, für die aus Eurer
Privatschatulle tausend Gulden beizusteuern sind.«
»Wollt Ihr mich ruinieren?!«, begehrte Bischof Johann
auf. »Und was, wenn ich mich weigere?«
»Das, Fürstbischöfliche Gnaden, wird mit Sicherheit
nicht geschehen.«
»Und warum nicht?«
»Weil ich das Versteck der echten Kilianreliquien sonst unter keinen Umständen preisgeben werde.«
»Echt?! Was soll das heißen?«
»Dass Euer Gnaden einem bedauerlichen Irrtum
aufgesessen sind. Ein Irrtum, der, würde er publik, Euer Gnaden den – verzeiht,
wenn ich mich so ungehobelt ausdrücke – Todesstoß versetzen würde.« Um seinen
Worten die entsprechende Wirkung zu verleihen, legte Bruder Hilpert eine kurze
Pause ein. Dann führte er den alles vernichtenden Streich aus: »Die Reliquien
in der Jauchegrube des Fronhofes stammen vom Schindanger auf dem Galgenberg. Erwiesenermaßen .
Eine Blamage, würdet Ihr auf einer genaueren Untersuchung bestehen.«
»Und was nun?«
»Wie pflegten die alten Römer doch so schön zu sagen:
›Manus manum lavat‹ * . Was, wie ich finde, auch für uns beide gelten
sollte!«, fügte Bruder Hilpert hinzu und zog eine eng beschriebene
Pergamentrolle unter seiner Kukulle hervor. »Hier, Euer Gnaden – damit auch
alles seine Richtigkeit hat! Was fehlt, ist lediglich Eure Unterschrift!«
»Und die Reliquien?«
»Sobald unsere Vereinbarung besiegelt und
unterschrieben ist, werde ich Euch mitteilen, wo ihr Versteck zu finden ist«,
antwortete Bruder Hilpert und wandte sich zum Gehen. »Darauf mein Wort.«
Bischof Johann verkniff sich die Bemerkung, die ihm
gerade auf der Zunge lag, und nickte. »Ihr findet den Weg hinaus?«
Bruder Hilpert gab keine Antwort, sondern kehrte noch
einmal um, zog einen goldenen Ring unter seiner Kukulle hervor und legte ihn
auf den Tisch. »Sein Ring!«, sprach er im Stile eines Richters, der seinen
Angeklagten mit einem Beweisstück konfrontiert.
Dann drehte er sich um, ging zur Tür und verließ
grußlos den Raum.
Siebter Tag
Tag des heiligen Kilian, Anno Domini 1416
14
Domplatz, kurz
vor dem Festgottesdienst
In puncto Prunk, Farbenfreude und Prachtentfaltung
ließ die Prozession keine Wünsche offen. Der Himmel über dem Dom erstrahlte in
makellosem Blau, und der Duft von Weihrauch, Myrrhe und Rosenblättern lag in
der Luft. Als der gläserne Schrein mit den Silberbüsten der drei Heiligen
vorübergetragen wurde, brachen die Pilger in Jubel aus, nicht wenige unter
ihnen sogar in Tränen. Ekstatische Schreie erfüllten die Luft, Choräle, laut
rezitierte Psalmen. Für alle,
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