Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
schwergewichtige Amme, die einen Kerzenhalter in die
Stube hinauftrug. Von dort war lautstarkes Gelächter und der Klang einer Fiedel
zu hören. Sehr zum Verdruss der Hausherrin stach die Stimme von Heribert, ihrem
Mann, dabei ganz besonders hervor. Ein Glück für Berengar, dass sein Schwager
nicht mehr ganz nüchtern und die Aufmerksamkeit seiner Schwester dadurch ein
wenig abgelenkt war. Andernfalls, so stand zu befürchten, hätte es einen
handfesten Krach gegeben.
»Bitte habt Verständnis, dass wir uns in Schweigen
hüllen – trotz Eurer unvergleichlichen Gastfreundschaft!« Als seien die Worte
Hilperts das Stichwort gewesen, ging fast im gleichen Moment die Küchentür auf,
und ein Duft, der Berengar das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ, stieg ihm in
die Nase. Beim Anblick der Speisen, welche die auf das Feinste herausgeputzten
Mägde durch die Diele in die Stube hinauftrugen, krampfte sich dem Vogt
regelrecht das Herz zusammen. Spanferkel, mit Lauch und Zwiebeln garniert, dazu
frisch gebackenes, noch ofenwarmes Brot, einen Krug Starkbier nicht zu
vergessen – was ihn betraf, bedurfte es einer geradezu überirdischen Anstrengung,
um den Bischof nicht einfach Bischof sein zu lassen und an der reich gedeckten
Tafel im Obergeschoss Platz zu nehmen.
»Und warum nicht?«, ließ Sieglinde nicht locker,
während eine der Mägde ein riesiges Silbertablett mit Gänseleber, gefüllter
Kalbsbrust und Schweinebraten vorübertrug. Der Geruch nach Bratenfett, Erbsen
und Saubohnen war so köstlich, dass Berengar den Dialog zwischen seiner
Schwester und dem Freund glatt vergaß. Eher zufällig bekam er dann wenigstens
das Ende mit: »Darum, edle Frau, nochmals vielen Dank für Eure Gastfreundschaft
– und die Bitte um Verständnis für unsere prekäre Situation. Nichts lieber, als
an Eurer Tafel zu speisen, glaubt es mir. Aber leider geht das nun einmal
nicht. Wenn Ihr erst erfahrt, in welcher Mission wir unterwegs sind, werdet Ihr
Euren Bruder und mich verstehen. Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel.«
Der alte Fuchs hat es doch tatsächlich geschafft,
Xanthippe um den Finger zu wickeln!, dachte Berengar bei sich und konnte sich
ein Grinsen gerade noch verkneifen.
»Und wann werdet Ihr wieder hier …« Ein Blick auf
ihren Bruder, der gerade sein Schwert umgürtete, sorgte dafür, dass Sieglindes
Zorn tiefer Sorge wich. Doch ehe sie etwas sagen konnte, tätschelte ihr
Berengar die Schulter, nahm eine Laterne vom Haken und verließ mit Bruder
Hilpert das Haus.
Es war spät geworden, kurz nach Sonnenuntergang. Die
Dominikanergasse und das angrenzende Kloster lagen in tiefem Dunkel. Bruder
Hilpert und Berengar war es recht so. Endlich wieder unter sich, atmeten die beiden
Freunde hörbar auf, wechselten einen vielsagenden Blick und schlugen den Weg
zum Spitaltor ein. Jeder mit sich und seinen Gedanken beschäftigt, blieben
Hilpert und Berengar zunächst stumm. »Kaum zu glauben!«, war es Hilpert, der am
Ende das Schweigen brach. »Dass ich nicht schon früher darauf gekommen bin!«
»Auf was denn?«
»Darauf, dass sich im bischöflichen Gemach kein
einziges Kruzifix befindet. Von einer Bibel oder einem Bildnis der Muttergottes
gar nicht zu reden.«
»Ehrlich? Ist mir gar nicht aufgefallen!«, erwiderte
Berengar zerstreut.
»Was dann?«
»Ich weiß nicht, aber ich bin mir sicher, dass dieser
Hundsfott von einem … ich bin mir sicher, dass unser hochwohlgeborener Herr
Bischof nicht mit offenen Karten spielt.«
»Wie kommst du darauf?«
»Nur so ein Gefühl.«
»Ein Gefühl, das sich auf ein trautes Gespräch mit
einer gewissen Schwester Irmingardis zurückführen lässt?«
»Jetzt mach aber mal halblang! Ich weiß wirklich
nicht, was Schwester Irmingardis mit unserem Fall –«
»Schon gut, schon gut!«, wiegelte Bruder Hilpert
schmunzelnd ab. »Wenn wir dieser Hildegard einen Besuch abgestattet haben, wäre
es, denke ich, keine üble Idee, ein wenig mit ihr zu plaudern. Eine überaus
interessante Frau, wenn ich dich richtig verstanden habe.«
Berengar antwortete mit einem undefinierbaren Brummen,
aber Bruder Hilpert hatte auch nichts anderes erwartet. Da er seinen Freund
kannte, übte er sich in Geduld, bis der Vogt sein Schweigen brach: »Kannst du
mir sagen, weshalb wir uns überhaupt auf so etwas eingelassen haben?«, stieß
Berengar unwirsch hervor.
»Weil du der bislang einzige Zeuge in diesem Fall
bist. Oder hast du deinen Brummschädel schon wieder vergessen?«
»Hab ich nicht!«, spie
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