Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
gehalten.
»Nichts.«
»Könnte es sein, dass diese Schattengestalt nur in der
Fantasie dieses …«
»Berengar von Gamburg.«
»Seid bedankt, Euer Gnaden!« Ein hintergründiges
Lächeln flog über von Sternbergs Gesicht. »Kann es sein«, begann er von Neuem,
»dass dieser ominöse Auftraggeber nur in der Fantasie dieses täppischen Vogtes
existiert?«
»Eure Voreingenommenheit in allen Ehren – bevor Ihr
ein Urteil fällt, das nicht der Realität entspricht, solltet Ihr Euch
vielleicht erst einmal ein Bild von dem Zeugen machen.«
Einen Wimpernschlag lang war der Mund des Dompropstes
sperrangelweit offen, und er tat sich schwer, seine Verblüffung zu verbergen.
Ein Vorteil, den sich von Brunn umgehend zunutze machte: »Wenn es einstweilen
keine Fragen mehr gibt, wird der Vorsteher meiner Kanzlei, der ehrwürdige
Eustachius von Marmelstein, im Folgenden kurz Bericht erstatten!«, fügte er
kurz angebunden hinzu.
Der Mann, von dem die Rede war, war bislang nicht in
Erscheinung getreten. Als er seinen Namen hörte, fuhr er zusammen, rappelte
sich mühsam auf und steuerte auf den Mittelgang zu. Obwohl es nur ein paar Schritte
waren, geriet er dermaßen ins Schwitzen, dass man fast schon Mitleid mit ihm
bekam.
Fast alles an Eustachius von Marmelstein war höchst
ungewöhnlich. Angefangen bei seiner Körperfülle, machten ihn vor allem sein
Watschelgang und ein Paar Storchenbeine geradezu unverwechselbar. Nur wenige
Schritte, und der Domkapitular geriet völlig außer Atem. Just wie in diesem
Moment, als er ein Schweißtuch unter seinem Talar hervorzerrte und nur mithilfe
seines Gehstocks imstande war, sich auf den Beinen zu halten. »Hochwürdigste
Domherren!«, begann er mit zitternder Stimme, wobei er es seiner
Kurzsichtigkeit wegen vermied, den Blick auf die Versammelten zu richten. »Wie
mir unser aller Bischof und Herr aufzutragen geruhte …«
»Wieso Herr?!« Obwohl der Zwischenruf nicht zu
überhören und eine Dreistigkeit sondergleichen war, ließ sich von Marmelstein
nicht aus der Ruhe bringen. »Wie gesagt«, unternahm er einen weiteren Versuch,
sich Gehör zu verschaffen, wobei sich die rötliche Färbung seines Gesichts
merklich vertiefte, »wie gesagt, wurde ich damit beauftragt, so viel wie
möglich über den frevlerischen Diebstahl der vergangenen Nacht herauszufinden.«
»Dürfen wir davon ausgehen, dass Eure Bemühungen
zumindest teilweise von Erfolg gekrönt waren?« Mit einer Häme, die man selbst
bei ihm nicht vermutet hätte, wagte sich von Sternberg erneut aus der Deckung
und sah den fettleibigen Domkapitular geringschätzig an.
»Nein. Das heißt … nein, jedenfalls nicht bis jetzt.«
»Und warum nicht, wenn man fragen darf?«
»Weil der oder die Täter nicht die geringste Spur
hinterlassen haben.« Von Marmelstein zuckte ratlos die Achseln. »Keine Ahnung,
wie sie es geschafft haben, unerkannt zu entkommen. Tür und Reliquienbehälter
aufzubrechen, ist ja schließlich kein Kinderspiel.«
»Bedeutet das, dass Eurer Ansicht nach mehrere Täter
am Werke waren?«
Von Marmelstein deutete ein schicksalsergebenes Nicken
an.
»Und die Weihegaben – sie sind doch bestimmt Hunderte
von Gulden wert!«, warf von Weinsberg indigniert ein. »Was ist mit denen?«
»Wie es scheint, wurden sie nicht angetastet.«
»Und die Wachen vor dem Portal?«, hakte von Sternberg
nach.
»Haben weder etwas gesehen noch gehört.«
»Aber das kann doch nicht sein!«
»Doch, kann es, Herr von Sternberg, kann es.« Von
Marmelstein hob den Kopf und blinzelte in die Richtung, aus der die Stimme
seines Widersachers kam. »Wenn ich ehrlich bin, ist mir das Ganze ein einziges
Rätsel.«
»Und wer hat den Diebstahl als Erster bemerkt?«
»Einer der Domscholaren.«
»Und um wen handelt es sich?«
»Um einen gewissen Bertram von Klingenberg. Der dann
umgehend einen der Chorherren verständigt hat.«
»Wen denn?«
»Fredegar von Stetten. Einen der nachgeborenen Söhne
des Herrn von …«
»Ich weiß, von wem hier die Rede ist!«, fauchte von
Sternberg den schwergewichtigen Domkapitular an. »Eine andere Frage: Wann,
denkt Ihr, wurden die Reliquien gestohlen?«
»Des großen Zulaufs wegen wurde die Basilika erst eine
Stunde nach Sonnenuntergang geschlossen. Der Diebstahl selbst wurde kurz vor
der Prim bemerkt.«
»Und dann?«
»Wie meinen?«
»Und was habt Ihr dann getan?«
»Ich habe Vorkehrungen getroffen, dass niemand die
Kirche betreten kann. Und dann umgehend Ihro Gnaden den Bischof …«
»Schon
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