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Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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an die der Erzdiakon das
Wort richtete, war Anfang 20, brünett und hatte eine Haut wie aus Elfenbein.
Bevor sie den Raum betrat, hatte sich Demetrius rasch eine Stoffmaske
übergestreift, denn er wollte unerkannt bleiben. Der Duft, den die Frau
verströmte, war einfach atemberaubend, ein Erkennungszeichen der besonderen
Art. Irgendwie rochen sie hier im Hurenhaus alle gleich, aber auch in diesem
Punkt war Melisande etwas ganz Besonderes. Natürlich war das nicht ihr
richtiger Name, aber das war ihm gleich. Worauf es ihm ankam, war, dass sie
kein Freund vieler Worte war, genau wie er. Und dass sie diesen Geruch an sich
hatte, eine Mischung aus Hyazinthe und Jasmin. Ganz im Gegensatz zu den anderen
Huren, die man allein schon am Geruch nach Amber, Moschus oder Rosenholz erkannte.
    Und dann war da noch die geradezu unvergleichliche
Art, seine Wünsche zu erraten. Ohne dass er etwas zu sagen brauchte. Außer
Schwester Serafina, der Frau, die ihn großgezogen hatte, gab es wohl kaum einen
anderen Menschen auf der Welt, der ihn so gut verstand wie Melisande.
    »Ist Euch nicht gut, Herr?« Was für eine Frage, dachte
er bei sich. Trotzdem ließ er sich nichts anmerken, kletterte aus dem Bett und
bot Melisande den von Narben, Eiterbeulen und Pusteln übersäten Rücken dar.
    Er hatte seine Strafe verdient, und er würde sie
bekommen.
    Jetzt gleich.
    Doch anders als in all den Nächten zuvor, die er hier,
fernab seines prunkvollen Gemachs, verbracht hatte, rührte sich Melisande nicht
vom Fleck. Er konnte ihr Duftwasser riechen, spürte den brokatenen Saum ihres
Gewandes auf der nackten Haut. Ihren Atem, der wie eine frische Brise über
seine Nackenhaare strich. Den mitleidsvollen Blick, wie jedes Mal, wenn das
Strafgericht seinen Anfang nahm. Bevor sich die Riemen ihrer Geißel in seinen
Rücken bohrten, wie der Pflug in ein brachliegendes Feld.
    Drauf und dran, seiner Ungeduld Luft zu machen, hob er
den Kopf. Doch kam ihm Melisande zuvor. »Sie wird nicht kommen, Herr. Um Euch
zu verarzten, meine ich.«
    »Wer?« Obwohl er genau wusste, um wen es ging, fiel
ihm nichts Besseres als eine Gegenfrage ein. Das Blut schoss ihm in den Kopf,
und lähmendes Entsetzen ließ ihn wie zu einer Salzsäule erstarren. Für einen
kurzen Augenblick wurde ihm schwarz vor Augen, aber er fing sich wieder.
    Zu seinem Erstaunen blieb Melisandes Antwort jedoch
aus. An der Art, wie sie auf der Stelle trat, konnte er ganz deutlich ihre
Unsicherheit erkennen, und das, obwohl er ihr immer noch den Rücken zudrehte.
    »Warum nicht?! Was ist mit ihr geschehen?« Die Züge
des jungen Mannes, ein Sammelsurium der Angst, verzerrten sich auf geradezu
groteske Weise, und obwohl ihm Selbstbeherrschung über alles ging, konnte er
seine Ungeduld kaum noch zügeln.
    »Sie … sie … es heißt …«, stammelte Melisande, und im
gleichen Moment war er auch schon auf den Beinen und wirbelte wie von Furien
gepeinigt herum. »Was ist los, verdammt noch mal?! Was ist mit Schwester
Serafina geschehen?« Halb wahnsinnig vor Ungeduld, sah der junge Mann wie ein
dem Höllenschlund entstiegener Dämon aus.
    »Sie hat mir eine Nachricht überbringen lassen. Damit
Ihr Bescheid wisst, Herr.«
    »Was für eine Nachricht? So rede doch endlich, Weib!«
    »Schwester Serafina, Herr – es scheint, sie liegt im
Sterben.«
    Auch noch nach Jahren, wenn sie an jenen Moment
zurückdachte, würde sich Melisande des jungen Mannes mit der Maske entsinnen,
der laut aufheulend vor Schmerz zusammenbrach und die Dielenbretter mit den
Fäusten traktierte. Nicht lange, und die Haut hing in Fetzen von der
blutüberströmten Hand, und an einigen Stellen trat sogar der Knöchel hervor. Dieser
Mann hier hatte nichts Menschliches mehr an sich. Kein Wunder, dass es
Melisande mit der Angst bekam.
    »Mutter!«, schluchzte Demetrius immer wieder, während
die Augen hinter der Maske fast durch die Sehschlitze quollen. »Mutter!«
    Anno Domini 689
     
    Da draußen war jemand. Totnan legte die Hand hinters
Ohr und lauschte. Er konnte es förmlich spüren. Und die Pferde im Stall auch.
Insbesondere der Wallach neben ihm, der unentwegt an seinem Zaumzeug zu zerren
und mit den Hufen zu scharren begann.
    Bei Totnans Gefährten, einem stämmigen irischen
Bauernsohn, hinterließ das Gezerre, Gewieher und Gescharre nicht den geringsten
Eindruck. Er schlief. Mehr noch, er schnarchte so durchdringend, dass es Totnan
allmählich auf die Nerven ging. Und Kilian? Nun, der kniete seit gut einer
Stunde mit gefalteten

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