Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
darf?«
»Fürchtegott, dem Mesner. Und einem der Domscholaren,
Bertram von Klingenberg.«
»Gut gemacht!«, murmelte Berengar amüsiert, für den
die prekäre Lage des Chorherrn einen willkommenen Anlass zur Schadenfreude bot.
»Wie meinen?«
»Mein Freund und Gefährte hat geruht, Euch seine
Anerkennung auszusprechen!«, fuhr Bruder Hilpert dazwischen, bedachte Berengar
mit einem missbilligenden Blick und nahm den Gesprächsfaden wieder auf: »Will
heißen: Ab da ging alles seinen gewohnten Gang.«
»Mit Ausnahme der Tatsache, dass die Büsten auf dem
Altar stehengeblieben sind – ja!«, entgegnete von Stetten in weinerlichem Ton.
Um kurz drauf hinzuzufügen: »Natürlich ist alles meine Schuld. Ohne Wenn und
Aber. Aber es war nun mal ein anstrengender Tag. Und ich war müde. Hundemüde
sogar. ›Wird schon nichts passieren!‹, hab ich mir gedacht. Auf die Idee, dass
irgendjemand es wagen könnte, die Reliquien zu stehlen, wäre ich sowieso nie
gekommen. Nie und nimmer. Das könnt Ihr mir glauben, Bruder! Und wenn selbst
einer der Domkapitulare sagt, ich könne mir die Mühe sparen, dann …«
Mitten im Satz brach von Stetten ab und schlug
entsetzt die Hand vor den Mund. Sein Gesicht, von nobler, wenn nicht gar
kränklicher Blässe, wurde kreidebleich, und sein Blick irrte ziellos umher.
Eben noch von Mitleid geplagt, war Bruder Hilpert aufs
Äußerste alarmiert. »Was habt Ihr da gerade gesagt?«, hakte er sofort nach. Und
fügte, als der Chorherr mit betroffener Miene schwieg, hinzu: »Habt die Güte
und erläutert mir Eure Bemerkung genauer, Herr von Stetten!«
»Ich? Wieso? Welche Bemerkung, Bruder?«
»Ohne Umschweife: Wer war der Domherr, der Euch
ermunterte, die Büsten der drei Märtyrer auf dem Altar stehenzulassen? Redet,
von Stetten, bevor ich mich gezwungen sehe, zu anderen Mitteln zu greifen!«
Der Chorherr schüttelte den Kopf, wie ein Kind, das
etwas ausgefressen hat, es aber nicht zugeben will.
»Ich denke, mein Freund und Gefährte hat sich klar
genug ausgedrückt, oder?«, warf Berengar unnachgiebig ein.
Der Chorherr umklammerte die Gitterstäbe jetzt so
fest, dass sein Blut ins Stocken geriet. »Ich kann nicht!«, winselte er. »So
wahr mir Gott helfe, ich …«
»Und warum nicht?«
»Weil ich mir keinen Ärger aufhalsen will, darum!«
»Selbst dann nicht, wenn Ihr Euch reinwaschen könnt?«
» Gerade dann nicht, Bruder.
Schließlich bin ich es, der für sämtliche Reliquien die Verantwortung trägt.
Und die kann mir keiner nehmen.«
Bruder Hilpert zuckte die Achseln. »Na schön!«, gab er
widerstrebend nach. »Lassen wir die Angelegenheit fürs Erste auf sich beruhen.
Um es jedoch in aller Deutlichkeit zu sagen, Herr von Stetten: Sollte es der
Fortgang unserer Ermittlungen erforderlich machen, werdet Ihr nicht umhin
kommen, Namen zu nennen, ist das klar?!«
Obwohl er aus seinem Herzen sonst nie eine Mördergrube
machte, zuckte Berengar unwillkürlich zusammen. Worte wie diese war er von
Bruder Hilpert nicht gewohnt. Um der Situation die Schärfe zu nehmen, warf er
ihm einen beschwichtigenden Blick zu, wandte sich an den Chorherrn und sprach
in forschem Ton: »Zeit, die Büsten näher in Augenschein zu nehmen, findet Ihr
nicht auch?«
Ohne weiteren Kommentar, dafür aber zerknirscht wie
ein geprügelter Hund, öffnete Fredegar von Stetten die Pforte zur Gruft und
tauchte so rasch wie möglich ins Halbdunkel ein.
*
Der Gruftaltar befand sich in der Mitte der Krypta,
direkt vor dem Pfeiler, welcher die Hauptlast des Gewölbes trug. Er wurde von
vier Kandelabern flankiert. Der Duft, den ihre zwölf Kerzen verströmten, war
atemberaubend, eine Mischung aus Weihrauch, Rose, Sandelholz und Jasmin. Als er
seine Andacht beendet hatte, verharrte Bruder Hilpert in tiefem Schweigen, wie
betäubt von dem paradiesischen Duft, dem gleißend hellen, geradezu himmlischen
Licht, welches inmitten immerwährender Finsternis erstrahlte.
Als er wieder zu sich gekommen war, sah sich Bruder
Hilpert den Gruftaltar näher an. Fredegar von Stetten zufolge war er an die
zweihundert Jahre alt und mit einem Hohlraum zur Aufnahme diverser
Reliquienbehälter versehen. Darin befänden sich Relikte verschiedenster Art, so
zum Beispiel Gebeine, Gewandfetzen und dergleichen mehr. Bruder Hilpert hörte
nur mit einem Ohr hin und ertappte sich bei dem Gedanken, was die drei Heiligen
zum Kult um ihre Person gesagt hätten.
Wie immer, wenn er auf derartige Gedanken kam, tat er
sie als ketzerisch ab und
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