Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
Vom Netzwerk:
weiteres Gesicht im Sehschlitz auf. Mit Ausnahme der Habichtsaugen,
die Wigbert buchstäblich durchbohrten, war es vollkommen vermummt. »Dein
Begehr?« Die Stimme des Mannes hörte sich beileibe nicht so schroff an wie die
des Torwächters.
    Trotz des wesentlich freundlicheren Empfangs war
Wigbert auf der Hut, und sein Instinkt sagte ihm, dass dieser Mann nicht so
leicht zu übertölpeln war. »Obdach zu finden, Herr!«, antwortete der Zwerg in dem
Bemühen, sich keine Blöße zu geben.
    »Und für wie lange?«
    Die Habichtsaugen sahen ihn prüfend an, ein Blick, dem
standzuhalten fast unmöglich war. Wigbert geriet mächtig ins Schwitzen,
entschied sich jedoch für die Flucht nach vorn: »Für immer!«, erwiderte er
lapidar.
    Überraschenderweise zeigte der Vermummte keinerlei
Reaktion. »Dein Name?«, fragte er eiskalt.
    Alles auf eine Karte!, hämmerte es Wigbert durchs
Gehirn, und er hörte sich zur eigenen Überraschung sagen: »Ist das denn so
wichtig bei euch?«
    Einen Wimpernschlag lang gefror die Augenpartie seines
Gegenübers zu einer regungslosen Maske. Schon dachte er, alles sei verloren,
als der Vermummte plötzlich in schallendes Gelächter ausbrach. »Recht so!«,
erwiderte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. »Auf Namen kommt es hier
bei uns nun wirklich nicht an!«
    »Heißt das, Ihr lasst mich ein?«, preschte Wigbert
vor, um die Gunst des Augenblicks nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.
    Wieder dieser Habichtsblick, kalt, abwägend und voller
List. Dann die Antwort, die einer versteckten Drohung gleichkam:
»Vorausgesetzt, du hältst dich an unsere Regeln – ja!«
    »Habt Dank, Herr!«, gab sich Wigbert nunmehr besonders
devot. »Dank Euch und Gottes …«
    »Besser, du lässt den alten Scharlatan da droben aus
dem Spiel!«, fiel ihm der Vermummte mit schneidender Stimme ins Wort. »Sonst
wirst du es hier nicht weit bringen!« Dann wuchtete er den Querbalken hoch und
öffnete das Tor.
    Für den Bruchteil eines Augenblicks verharrte Wigbert
auf der Stelle. Dann fasste er sich ein Herz und trat ein. Er war jedoch noch
nicht richtig im Hof, als er feststellte, dass sein vermeintlicher Wohltäter
verschwunden war. Spurlos. Wie ein Trugbild, das sich in Luft aufgelöst hatte.
    Zeit, sich ein wenig umzuschauen, sprach er sich
selbst Mut zu, während sein Blick über den Innenhof flog. Doch da war nichts.
Weder Mensch, Tier, Licht noch Sonne. Nur dieser bittersüße Geruch, von dem
einem speiübel wurde. Wigbert erkannte ihn sofort. Es war der gleiche wie auf
dem Galgenberg. Sein Atem ging rascher, und ihm wurde flau im Magen. Ganz
gleich, wie sehr er sich dagegen sträubte. Jedes Mal, wenn er ein Grab
zuschaufelte, stieg ihm dieser Geruch in die Nase. Der Odem von Krankheit,
vorzeitiger Verwesung und Tod.
    »Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate! * «, erklang es plötzlich aus dem Schatten neben dem
Tor. Der Zwerg war vor Schreck wie gelähmt. Nichts wie weg hier!, durchzuckte
es sein Gehirn. Doch kaum war sein Entschluss gefasst, stellte er fest, dass
das Tor längst verschlossen war.
    Und dann war da noch diese in Lumpen gehüllte Gestalt
von vorhin, der Mann mit den Habichtsaugen, bei deren Anblick man das kalte
Grausen bekam.
    Er bewegte sich langsam, geschmeidig, ohne erkennbare
Hast. Trotz der Tatsache, dass er auf dem linken Fuß hinkte. Und er schien zu
lächeln. Wie ein Jäger, der sich seiner Beute sicher ist.
    »Verzeiht, Herr – aber was habt Ihr gerade eben
gesagt?«, versuchte Wigbert seine Angst unter der Maske aufgesetzter Lässigkeit
zu verbergen.
    Ein heiseres Lachen antwortete ihm. »Mir war gerade
danach, Dante zu zitieren!«, erklärte der Vermummte lapidar.
    »Ihr sprecht also Italienisch?«
    »Gewiss doch!«, bekräftigte der Mann mit den
Habichtsaugen und sah Wigbert herablassend an. »Du etwa nicht?«
    »Bedaure – nein!«
    »Macht nichts!«, entgegnete der Vermummte, zupfte
Wigbert am Ärmel und humpelte zurück zum Tor. Dort angekommen, blieb er neben
einer in Stein gehauenen Inschrift stehen. »Kannst du lesen?«, fragte er und
lachte leise in sich hinein.
    »Gewiss.«
    »Dann bitte ich dich, mir eine Kostprobe deines Könnens
zu geben – natürlich nur, wenn du willst!«
    Beim Klang der Stimme, die sich wie eine Klinge in
seine Ohrmuschel bohrte, erschrak Wigbert der Zwerg bis ins Mark. Aber dann, im
Banne der hoch aufragenden, von schwarzen Lumpen verhüllten Gestalt, tat er, wie
ihm geheißen: »Wer hier eintritt, der lasse alle Hoffnung fahren!«,

Weitere Kostenlose Bücher