Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
rezitierte
er, das schallende Gelächter des Vermummten im Ohr, das wie ein Menetekel von
den Wänden widerhallte.
*
Bischöfliches
Schlafgemach,
eine halbe
Stunde nach dem Mittagsläuten
Er konnte den Brief mit dem Siegel seines Amtsbruders
zu Köln so oft lesen, wie er wollte. An seinem niederschmetternden Inhalt
änderte sich dadurch nichts. Selbst dann nicht, wenn er ihn zerknüllt auf den
Boden warf.
Doch war es genau das, was Johann von Brunn, Bischof
von Würzburg, in einem Anfall ohnmächtiger Verzweiflung tat. Und er tat noch
mehr. Das heißt, er war im Begriff, es zu tun. Denn im gleichen Moment, als er
nach dem Weinbecher auf dem Nachttisch griff, hielt er unverrichteter Dinge
inne. Und so blieben die Wandbehänge in seinem Schafgemach einstweilen
verschont.
»Schlechte Nachrichten?«, hörte sich die Stimme seiner
Konkubine auch jetzt, nach durchzechter Nacht, noch ausgesprochen verführerisch
an. Und wie fast immer hatte sie eine stimulierende Wirkung auf ihn, in einem
Ausmaß, dass er die Hiobsbotschaft, die ihn soeben per Eilkurier erreicht
hatte, einen Moment lang vergaß.
Dieser Moment sollte indes nicht lange währen. Auf der
Bettkante sitzend, raufte sich Johann von Brunn die Haare und stierte dumpf vor
sich hin. Die Ränder unter den grünlich schimmernden Augen waren noch
zahlreicher als sonst, und er sah ausgesprochen mitgenommen aus. »Schlechte
Nachrichten?«, wiederholte er, so als käme ihm die Frage seiner Konkubine wie
eine ihrer üblichen Neckereien vor. »Das kann man wohl sagen!«
Aus der Tiefe seines Alkovens, dessen Brokatvorhänge
er mit einer unwirschen Handbewegung zur Seite schlug, war das leise Rascheln
eines Nachtgewandes zu hören. Kurz darauf spürte er eine Hand in seinem Nacken,
weich wie Balsam, wie er mit einem leichten Kribbeln in der Magengegend
bemerkte. Und dann erst dieser Duft! Die bewährte Mixtur aus Amber, Veilchen
und Jasmin. Johann von Brunn war wie betrunken davon.
Doch nach Liebkosungen, gleich welcher Art, stand dem
Fürstbischof jetzt nicht der Sinn. Er hatte andere Sorgen. »Lass das,
Dorothea!«, schüttelte er die Hand seiner Geliebten ab, die sich wie eine
antike Göttin auf dem heillos durchwühlten Prunkbett mit dem scharlachroten
Kopfkissen räkelte.
»Warum denn so abweisend?«, gurrte Dorothea, setzte
sich auf und zog die Bettdecke über den splitternackten Leib.
»Fürstbischöfliche Gnaden sind doch sonst nicht so!«
Der so Titulierte gab ein verächtliches Schauben von
sich, stand auf und griff nach seinem Morgenrock, der auf einem gepolsterten
Scherenstuhl unweit des Bettes lag. Aufgrund der Nacht, die hinter ihm lag,
ging ihm das Ankleiden nicht gerade leicht von der Hand. Aber nach langem Hin
und Her war es endlich geschafft. Johann von Brunn atmete tief durch, zupfte
sein Nachtgewand aus Maulbeerseide zurecht und öffnete die Vorhänge seines
Gemachs. Das grelle Sonnenlicht blendete ihn, weshalb er zurückschreckte und
sie so rasch wie möglich wieder schloss.
»Unpässlich?«
Immer noch ein wenig unsicher auf den Beinen, ließ
sich der Fürstbischof auf dem Scherenstuhl nieder, stützte das Kinn auf die
Handballen und gab sich ganz seinen trübsinnigen Gedanken hin. Das Glück,
treuester der Gefährten, schien ihn endgültig verlassen zu haben.
Dorothea von Waldenburg, beileibe nicht die einzige
Frau, die sich seiner Gunst erfreute, stützte sich auf den Ellbogen, strich
sich das pechschwarze Haar aus dem Gesicht und sah Johann von Brunn mit
kindlicher Neugier an. »Nun komm schon, Liebster – was ist denn Schlimmes
passiert?«, hauchte sie, als ihre Frage unbeantwortet blieb, die sinnlichen
Lippen zu einem Schmollmund geformt.
Wieder keine Antwort. Nicht einmal die Andeutung
davon.
Ihrer kindhaften Tändelei zum Trotz nur mehr Mittel
zum Zweck, ließ sich Dorothea von Waldenburg jedoch ungern auf die Folter
spannen. Und so kroch sie zur Bettkante, angelte sich den Brief und faltete ihn
auseinander. Johann von Brunn ließ sie gewähren, auch dann, als Dorothea das
Schreiben des Erzbischofs von Köln mit dem ihr eigenen Hang zu gespielter Naivität
vorzulesen begann: »Dietrich II. von Moers, Erzbischof von Köln und Kurfürst,
an seine Brüder, die Erzbischöfe und Bischöfe des Reichs. Wir, Dietrich, tun
Euch, Brüder in Christo und im Amte, hiermit kund, um zu wissen …«
»Der zweite Abschnitt, Liebste. Ab da wird es richtig
interessant. Und peinlich obendrein.«
Dorothea blickte kurz auf, wagte jedoch
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