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Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Tetzner
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genug.«
     
    Vater ging nachdenklich im Zimmer umher, und plötzlich hatte er einen Einfall. »Jetzt weiß ich«, rief er. »Paulchen müßte beim Bäcker Hennig dem Gustav Brötchen austragen helfen, das hat auch der Gerhard vom Chauffeur Biedermann getan, als er arbeitslos war, dann bekommt er Freibrötchen.«
     
    »Aber, wenn er nun die Brötchen aufrißt, anstatt sie abzuliefern?« Erwin hatte doch Bedenken.
     
    Der Vater lachte: »Dann verliert er nur seine Stelle und hat keinen Nutzen davon.« Darin hatte der Vater natürlich recht. So mußten sie es machen.
     
    Erwin bat den Vater, er solle doch sofort mit dem Bäcker Hennig sprechen. Doch das wollte er nicht. »Ich habe dir schon genug geholfen«, sagte er. »Paul ist dein Freund, das Weitere mußt du selber tun.«
     
    Erwin ging zum Bäcker. Er hatte etwas Angst dabei. Wenn der nun nein sagte? Hoffentlich war der Polizist Krummhahn wieder verschwunden.
     
    Der Polizist war nicht mehr da. Der Bäcker war allein im Laden. Er saß hinter seiner Ladenkasse und rechnete.
     
    »Na, Herr Detektiv«, begrüßte er Erwin. »Wie steht's denn? Ist man auf den Spuren des Diebes?«
     
    Ach, das sei nicht so einfach. In einem so großen Haus.
     
    »Natürlich«, der Bäcker konnte das gut begreifen. »Die Polizei braucht auch oft viel Zeit, bis sie einen Dieb überführt.«
     
    »Im übrigen«, sagte Erwin, »ich komme heute wegen etwas anderem.« Und er bat für Paul, dem es zurzeit sehr schlecht ginge — denn sein Vater und seine Mutter seien arbeitslos, setzte er hinzu.
     
    »Mm, der kleine Richter, das ist ein flinker Kerl!« Der Bäcker schien also gar nicht abgeneigt zu sein. Das könnte man ja auf jeden Fall überlegen. Gustav brauchte schon lange eine Hilfe. »Aber«, er sah Erwin fest an, »ist er denn ehrlich? Ehrlich muß er sein, unbedingt ehrlich und gewissenhaft, sonst kann ich ihn nicht brauchen.«
     
    »Versuchen Sie es doch mal!« Mehr sagte Erwin nicht. »Bitte, versuchen Sie es doch mal mit ihm. Und« — setzte er hinzu, da der Bäcker nicht antwortete — »ich kann ja für ihn bürgen.« Da lachte der Bäcker: »Schon gut: schick mir deinen Freund her. Er bekommt zwei Freibrötchen am Tag und am Wochenende noch einige Groschen dazu.« Erwin lief in den Hof zurück und begann aufs neue, nach Paulchen zu suchen. Er mußte ihn finden. Hoffentlich war kein Unglück geschehen. Er hatte dann und wann gelesen, daß es Kinder gäbe, die aus Furcht vor Strafe davonliefen und nicht länger leben wollten. Er mußte Paulchen finden. Denn nun würde ja alles gut werden. Erwin ging alle Aufgänge ab, suchte in den Kellern und auf den Böden, er sah in Kisten, hinter Holz- und Kohlenhaufen, und er rief überall nach Paulchen. Umsonst — er konnte ihn nicht finden.
     
    Paul hatte sich vorsichtig aus seinem Versteck herausgewagt. Er war ganz langsam, immer um sich spähend, ob nicht irgendwo Erwin oder der Polizist lauerte, bis zu seiner Wohnungstür geschlichen. Er wollte noch einmal Vater und Mutter sehen. Seinen Mantel mußte er auch auf die große Reise mitnehmen und vielleicht konnte er ein Stück Brot bekommen. Er durfte natürlich nicht sagen, wohin er wollte.
     
    »Hast wohl nachsitzen müssen?« fragte die Mutter nur, »siehst ja so verheult aus! Hier iß!« Sie schob ihm die gewärmte Suppe hin. Dann beugte sie sich wieder über ihr Waschfaß. Sie wusch jetzt für fremde Leute und hatte wenig Zeit, sich um ihre Kinder zu kümmern. Paul war froh, daß er nicht viel reden mußte. Er beeilte sich sehr mit dem Essen.
     
    »Ich muß nochmal weg«, sagte er und lief in die Schlafstube, um seinen Mantel zu holen. Wenn er bloß ungesehen aus dem Haus kam. Hoffentlich fragte Mutter nicht, was er mit dem Mantel wollte. Um Brot wagte er nicht zu bitten. Das wäre aufgefallen. Mutter hätte gefragt, wozu er das Brot brauchte und wohin er müßte. Mutter fragte aber nicht; sie dachte an ihre Wäsche. Die mußte bis abends fertig sein und noch am frühen Morgen gebügelt werden. Paul schlich hinter ihr herum. Die Mutter sah nicht auf. Auf der Tischdecke lag ein Brotkanten. Er nahm ihn rasch. ›Das‹, dachte er, ›ist kein gestohlenes Brot. Es ist unser Brot, ich hätte es am Abend doch gegessen. Mutter hätte es dann mit Schmalz beschmiert‹.
     
    »Auf Wiedersehen!« sagte er, als er in der Tür stand. »Auf Wiedersehen, Mutter!« Die Tränen stiegen ihm schon wieder auf. Aber Mutter nickte nur und sagte: »Bleib nich zu lange weg!« Sie wußte ja

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