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Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Tetzner
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Schwanz und kam auf dem Bauch näher zu Mirjam gekrochen. »Wenn du lieb bist, darfst du mitspielen. Aber du darfst nicht so laut bellen, wenn der Junge wiederkommt, sonst mag er dich nicht. Verstehst du, Piddel?«
     
    Piddel verstand. Er blinzelte ärgerlich und knurrte.
     
    Mirjam seufzte. Es war ein großes Glück, daß sie wenigstens Piddel hatte. »Weißt du noch, wie es daheim aussah? Wir dürfen es nie vergessen!« flüsterte sie. »Immer kam Mutter uns gute Nacht zu sagen. Dann zankte sie, wenn du noch bei mir im Bett lagst, denn sie wollte, daß du unten auf dem Fußteppich schlafen solltest.«
     
    Mirjam zog die Bettdecke höher, seufzte noch einmal tiefer, kroch unter die Decke und schloß die Augen, um schließlich einzuschlafen.
     
    Frau Manasse stand neben dem Portier im Hof und redete auf ihn ein. Das Kind mußte natürlich auch in eine Schule gehen. Mein Gott, was wußte sie schon von den Schulen in diesem Stadtviertel! Sie war froh gewesen, daß sie sich nicht darum kümmern mußte. Und nun plötzlich brauchte sie doch eine. War das nicht eigentlich sehr lästig?
     
    Sie sah sich suchend im Hof um. In einer Ecke spielten Emils Schwestern, Marta und Lucie, die Zwillinge.
     
    »Hört einmal, Kinder«, rief sie, »in was für eine Schule geht ihr?«
     
    Die Mädchen kamen näher. »In die 183. Gemeindeschule«, sagten sie und knicksten. Was ging denn das Frau Manasse an?
     
    Frau Manasse wollte wissen, ob das weit von hier sei. »Nein, nur drei, vier Straßen. Noch vor dem Platz.«
     
    »Gut, gut, ich danke euch, Kinder.«
     
    Die beiden knicksten abermals. Es war sehr ungewohnt, daß die dicke Frau Manasse aus dem Vorderhaus sie anredete.
     
    Fast alle Kinder aus Nummer 67 gingen in die gleiche Schule.
     
    Am nächsten Tag erschien Frau Manasse auch wirklich in der großen Pause im Schulhof und ließ sich zum Herrn Direktor führen.
     
    Als Erwin sie entdeckte, verbreitete er sofort die phantastischsten Geschichten über die Indianerin, und weil er sie seit gestern nicht mehr gesehen hatte, wußte er zwar nicht mehr so genau, was alles an ihr ungewöhnlich und besonders gewesen war. Er konnte sich nicht einmal mehr erinnern, ob das kläffende Tier auf ihrem Arm — schwarz war es gewesen, so viel wußte er noch — nur ein gewöhnlicher Hund oder ein Steppenwolf, vielleicht gar irgendeine Affenart aus dem Urwald gewesen war. Jetzt wurden alle doppelt neugierig, die Indianerin kennenzulernen, und jeder aus Nummer 67 hoffte, daß sie zu ihnen in die Klasse käme.
     
    Das Glück fiel den Zwillingen Marta und Lucie zu.
     
    Als Mirjam in die Klasse trat, wußten sie sofort, das war die Indianerin, von der Erwin erzählt hatte.
     
    »Wie heißt du?« fragte der Lehrer.
     
    »Mirjam Sabrowsky.«
     
    »Du bist in Oberschlesien geboren?«
     
    »Ja, in Kattowitz.«
     
    »Setze dich!«
     
    Marta stieß Lucie an. »Is ja gar keine Indianerin, 'ne Deutsche genau wie wir. Die Jungens haben uns nur verulkt.«
     
    Lucie war sogar zornig auf Emil. »Und det allens nur wegen det bißchen braunem Gesicht und wegen dem schwarzen Scheitel. Wie ich aus der Ferienkolonie kam, war ich genau so braun. Außerdem hätte ich so eine eher für eine Zigeunerin gehalten.«
     
    Marta nickte.
     
    In der nächsten Pause drängten sich die beiden Mädchen um Mirjam und sagten: »Wir wohnen mit dir im gleichen Hause. Hinterhaus Aufgang g.«
     
    »Scheen, gahn mer zsammen heem?«
     
    Marta kicherte. »Du sprichst ja so komisch.«
     
    »Mer sprächen so in Oberschläsien.«
     
    Das fanden alle Mädchen komisch, sie stießen sich gegenseitig an und tuschelten.
     
    Mirjam verwirrte das. »Ihr sprächt au komisch. Ihr sagt ›mir‹ statt ›mich‹, und ›det‹ statt ›das‹.«
     
    »Dafür sind wir auch in Berlin«, behauptete Lucie, »und det is die Hauptstadt.«
     
    Mirjam senkte beschämt ihre Augen und wurde ratlos. Lucie faßte sie tröstend unter den Arm. »Macht ja gar nichts. Kattowitz is vielleicht auch ganz schön«, sagte sie. »Komm man.« Sie zog sie beiseite. »Mein Bruder heißt Emil.«
     
    »Kenn' ich ja schon«, murmelte Mirjam. Sie war noch immer ein wenig gekränkt.
     
    »Nein«, verbesserte Lucie, »das war der Erwin aus Aufgang d. Der vom Werkmeister Brackmann. Der hat deinen Koffer getragen.«
     
    »Woher weißt du das?«
     
    »Hat's ja im Hof erzählt. Und —« sie kicherten alle beide aufs neue und sahen sich bedeutungsvoll an.
     
    »Na, was heißt — und —« Mirjam wurde

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