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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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rückseitigem Wappen erhalten und einen anderen von der Dänischen Adelsvereinigung, und zusammen radelten wir nach Finø Holm hinaus. Wir saßen mit Kalle und Bullimilla in der Küche, erst gaben wir ihnen die Gardinen zurück, wir hatten sie gewaschen, gebügelt und gefaltet. Wenn man sich mit durchgreifenden inneren Entwicklungen beschäftigt, ist es wichtig, dass man die äußere Welt weitestgehend in den Stand zurückversetzt, in dem man ihr zuerst begegnet ist. Dann legte Tilte den königlichen Brief so auf den Tisch, dass das Wappen nach oben zeigte.
    »Peter und ich«, sagte sie, »sind die Schirmherren des Finø Boldklub. Ich möchte nur en passant erwähnen, dass sich der Klub innigst eine neue Halle wünscht, die alte ist abgenutzt und überbelegt.«
    Kalle Kloak befeuchtete die Lippen. Und ich muss zugeben, dass ich auch nicht wusste, wo ich hingucken sollte, schließlich schaute ich verlegen auf den Fußboden.
    Kalle fragte mit heiserer Stimme, was eine neue Halle kosten würde, und Tilte sagte, man könne sie für sechs Millionen aufwärts kriegen. Dann fragte Bullimilla, ob inden sechs Millionen eine Cafeteria inbegriffen wäre, und Tilte sagte nein, das sei die absolute Minimallösung.
    »Kalle«, sagte Bullimilla, »ohne Cafeteria kann man nicht leben, die jungen Menschen sind in der Wachstumsphase, und die Küche ist das Herz jedes Gebäudes, dies hier darf also nicht zu klein werden.«
    »Für sieben Millionen«, so Tilte, »könnten wir im Hinblick auf die Zukunft und die kommenden Geschlechter sinnvoll bauen.«
    Dann legte sie Kalle ein Papier hin. Unter Aufbietung großer Willensstärke gelang es mir, einen Blick darauf zu werfen, es war eine Schenkungsurkunde von Kalle Kloak an den Finø Boldklub, sie hatte sie zu Hause formvollendet aufgesetzt, sie lautete auf sieben Millionen.
    Nachdem Kalle mit einem Ausdruck unterschrieben hatte, als verstieße er mit diesem Geldgeschenk gegen seine tiefste Überzeugung, riss Tilte die Briefe der Königin beziehungsweise der Dänischen Adelsvereinigung auf, es war die Bestätigung, dass man nach dem Studium der Kirchenbuchabschriften, die die Gemeinde von Finø-Stadt geschickt hatte, zu dem Ergebnis gelangt sei, dass Kalle seit alters vom Geschlecht der Ahlefeldt-Laurvig Finø abstamme und das Recht besitze, den Namen desselben zu tragen, und herzlichen Glückwunsch und Unterschrift, die Königin.
    Kalle fiel in Ohnmacht. Es war das erste und einzige Mal, dass ich einen erwachsenen Mann in Ohnmacht fallen sah, er verdrehte die Augen und glitt auf den Boden.
    Tilte und ich unternahmen nichts, vor allem weil wir der Meinung waren, dass hier nichts zu machen war. Kalle Kloak ist tonnenförmig und, wie schon gesagt, alter Erd- und Betonarbeiter, er sieht nicht aus, als könnte man ihnohne weiteres bewegen, jedenfalls nicht ohne eine Sackkarre. Aber Bullimilla konnte, sie nahm ihn auf den Arm wie ein Baby. Dann blieb sie einen Augenblick mit ihm stehen und sah uns an.
    »Wenn wir die neue Halle einweihen«, sagte sie, »komme ich und mache das Festmenü.«
     
    Das war das erste Mal, dass Tilte wieder da war.
    Ich sage »wieder da«. Vor der Großen Synode und Mutters und Vaters Verschwinden hätte ich gesagt, dass Tilte nicht zu Hause gewesen war. Aber ich bezeichne den Pfarrhof und Finø nicht mehr als zu Hause. Ich sage »wieder da«, ganz bewusst.
    Es hat etwas mit dem unerwarteten Gast im Pfarrhof zu tun.
    Aber ganz langsam, es ist wichtig: Es war ein größerer Schock als der, den ich befürchtet hatte, als Tilte auszog.
    Ich glaube ja nicht, dass es Kliniken in der Art des Store Bjerg gibt, wo man auf Schwesternentzug gesetzt wird. Aber so etwas hätte ich eigentlich gebraucht. Wir waren aus Kopenhagen zurückgekommen, und Tilte und ich hatten verlangt, dass jeder seinen Bauwagen im Hof aufgestellt bekommt, und in denen wollten wir wohnen. Unser Wunsch wurde sofort erfüllt, das ist einer der Unterschiede zu früher, jetzt, nach unserer Rückkehr, gab es schon mehrere Fälle, wo wir Mutter und Vater in aller Ruhe erzählten, wie wir uns dies und das vorstellten, und so wurde es dann auch gemacht.
    Natürlich wollten wir nicht mehr im Haus leben, um nicht von den Elefanten niedergetrampelt zu werden. Denn das ist uns echt klar geworden. Mutters und Vaters Elefanten sind nicht die indischen, die lernen, auf dem Schoß zusitzen und Kreuzworträtsel zu lösen und auf den Vorderbeinen zu stehen und mit dem Schwanz zu wedeln. Mutters und Vaters gehören zu den

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