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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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schreiben, dass sie aus der ganzen Welt kommen und von allen Glaubensrichtungen: Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Judentum und von verschiedenen Naturreligionen und Magieschulen.
    Es gibt ein großes Bild des Dalai Lama, der mit einer besonderen, ich würde sagen durchdringenden Freundlichkeit vor sich hinsieht, die einen daran denken lässt, dass er mit weißem Bart und Zipfelmütze einen erstklassigen Weihnachtsmann für die große Vereinsweihnachtsfeier im Städtischen Festhaus Finø abgäbe. Neben ihm steht der Papst mit einem Lächeln, das dem Dalai Lama die Nominierung zum Weihnachtsmann nicht streitig macht, sondern ihn für den Posten des Spielonkels qualifizieren würde, der sich während der Weihnachtsrevue um die ganz Kleinen zu kümmern pflegt. Es gibt Fotos des Metropoliten vonKonstantinopel und anderer Metropoliten, und man muss Tilte recht geben, dass Beamter Bent jeden von ihnen beim Gottesdienst doubeln könnte, Hauptsache, er hielte den Mund geschlossen und ließe Mejse zu Hause. Es gibt auch etliche Großmuftis, und wie schon gesagt, bin ich etwas unsicher, was dieser Titel zu bedeuten hat, aber ein krasseres Outfit als das, was sie da anhaben, habe ich seit der Aufführung des Kalifen von Bagdad im Finøer Amateurtheater nicht mehr gesehen. Außerdem kann man Abbildungen von Athos-Mönchen sehen, von mongolischen Zauberern und spanischen Karmeliterinnen, und die Zeitungen schreiben, dass es sich um die größte Konferenz von Vertretern der Weltreligionen aller Zeiten handele und dass man erstmals in der Geschichte versuchen wolle, über religiöse Erfahrungen zu sprechen. Daraufhin dreht der Journalist total durch, weil das Treffen in Dänemark stattfinden soll, in Nord-Seeland, auf dem historischen Gut Filthøj, das sei phantastisch, das zeige erneut, obwohl wir selbst uns als klein ansähen, so seien wir doch die Größten in puncto Toleranz und Platz für alle, und man merkt an diesem Journalisten: die größte und am weitesten verbreitete von allen Religionen, das ist und bleibt die Selbstherrlichkeit.
    Als wir bis dahin gelesen haben, kommt der Schock. Denn der nächste Ausschnitt auf dem Haufen hat nicht die Konferenz im Blick, sondern etwas anderes. Ganz oben ist das Bild eines spitzen schwarzen Hutes, der einem großen Zauberer gehören könnte, und das Bild einiger kleiner dunkler Statuen, die zum Schleuderpreis auf einem Flohmarkt erstanden sein könnten, daneben sind Bilder von juwelengeschmückten Diademen, wie man sie übers Netz bei Fætter BR kauft, dieser Spielwarenkette, und mit denen Tilte rumlief, bis sie fünf war. Auf dem letzten Bild siehtman ein Dings irgendwo zwischen Likörei und Strandstein, aber dann kommt der Text:
    »Die Große Synode wird von einer imposanten und ambitionierten Konzertreihe mit religiöser Musik begleitet. Und zeitgleich mit der Synode wird die größte Ausstellung religiöser Kostbarkeiten eröffnet, die es in dieser Zusammenstellung je gab. Von der tibetanischen Flüchtlingsvereinigung stellt der Karmapa Trust Reliquien aus dem Kloster Rumtek in Indien aus, u. a. die schwarze Krone der Karmapas … Aus der islamischen Welt kommen gewebte Gobelins, die außerhalb Mekkas noch nie gezeigt wurden. Aus Japan kommen die Höhepunkte der Ausstellung von Kimonos und Schwertern des Nationalmuseums Tokio, von Zen-Meistern gefertigt und derart kostbar, dass sie noch nie im Handel waren. Aus dem indischen Hinduismus Goldstatuen aus dem Tantra-Museum in Lahore. Aus dem Vatikan einzigartige Heiligen- und Christusreliquien sowie eine Sammlung juwelenbesetzter Kruzifixe aus der Renaissance. Allein die Kruzifixe sind für eine Milliarde Dollar versichert, und wegen der Versicherungsprämie wird die Ausstellung, die in den nächsten drei Jahren in zwölf Ländern gezeigt werden soll, die teuerste Wanderausstellung aller Zeiten.«
    Tilte und ich sehen uns an. Das Schiff schwankt unter unseren Füßen.
    Klar, dass wir diese Gelegenheit, nach innen zu schauen, nicht versäumen und uns fragen, wer in diesem Augenblick diese totale Lähmung empfindet.
    Aber dann sind wir gezwungen, dem Ärger Platz einzuräumen.
    Es ist ja nicht so, dass man sich nicht freuen würde, wenn die Menschen sich entwickeln, besonders wenn esdie eigenen Eltern sind. Aber Entwicklung allein reicht nicht, man muss auch schauen, wo die Reise hingeht. Und hier vor den Zeitungsausschnitten sind Tilte und ich einer Meinung, dass unser Vater und unsere Mutter in ihrer Entwicklung gerade einen

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