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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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»In der alten Schlosskirche. Die Akustik ist hervorragend.«
    Tilte und ich setzen uns nicht auf. Aber wir sind sehr still.
    »Es ist einer der stilvollsten Räume des Schlosses Filthøj. Es wird ein sehr, sehr schöner Rahmen für die Große Synode.«
    Einen Augenblick lang sind wir stumm, als erste findet Tilte ihre Sprache wieder.
    »Rickardt«, sagt sie, »unter dem Boden in diesem Raum, was ist da?«
    »Kasematten«, sagt Rickardt. »Die alten Abwasserkanäle. Umgebaut zu Gewölben. Mit einer schönen Stimmung. Der Jarl af Bluffwell liegt da begraben. War im 18. Jahrhundert in Dänemark zu Besuch. Starb an Alkoholvergiftung. Grandioser Raum. Wir haben da unser Pot getrocknet, als ich ein Junge war. Mit den kleinen Söhnen und Töchtern vom Küchenpersonal habe ich da Doktorspiele gespielt. Gut gelüftet, konstante Luftfeuchtigkeit, angenehme Temperatur.«
    »Rickardt«, sagt Tilte, »hast du unserer Mutter von den Kellern erzählt?«
    »Ich hab sie ihr gezeigt.Sie haben ja einen Ort gesucht, wo man die Herrlichkeiten im Fall von Einbruch oder Feuer in Sicherheit bringen kann. Da habe ich ihr gesagt: So einen Ort gibt es schon. Und die Bodenöffnungen auch, sie sind nur von den Fliesen verdeckt. Wo die alten Treppen gewesen sind. Ich beschrieb ihr, wie sie es machen könnte. Eure Mutter war begeistert von meinem Scharfsinn. Das erinnerte mich an meine Mutter, die zu mir sagte, als ich klein war: Rickardt, es wird nicht einfach sein für dich, einen Ort auf der Welt zu finden, der Platz genug für dein großes Gehirn hat.«
    »Wann hast du es Mutter gezeigt?«, frage ich.
    »Ich bin dreimal mit ihr rübergefahren. Es ist ein Vergnügen, mit eurer Mutter zu reisen. Eine anziehende Frau. Wenn ich mir euch nicht ausgesucht hätte. Aber vielleicht ist das kein Hindernis. Könnte pikant sein. Mit Mutter und Tochter und den Söhnen. Man könnte einen Harem haben. Genau richtig für eine kraftvolle Sexualität wie meine. Und der Kahn hier fordert ja geradezu dazu auf!«
    »Rickardt«, sagt Tilte, »führt ein Weg aus den Kasematten heraus?«
    Rickardt senkt die Stimme. Zwinkert uns zu.
    »Sagt es bitte keinem weiter, meine süßen Balsamdöschen. Offiziell gibt’s keinen Ausweg. Aber als Kinder haben wir den Tunnel entdeckt. Führt genau nach Osten. Ein Geheimgang. In Wirklichkeit die alte Kanalisation. Verschlossen durch eine Wand aus Backstein. Mit Geheimtür. Bestimmt während der Schwedenkriege eingesetzt. Wir haben den Tunnel genommen, wenn wir Hausarrest hatten. Und zur Disko Perle in der Vedbæk Marina wollten. Er endet am Steilhang. Im Badehaus vom Schloss.Direkt auf den Öresund raus. Wir hatten da ein kleines Gummiboot. Mit einem Außenbordmotor, ich sag dir, ein richtiger Brocken! Und Festkleidung in wasserdichten Säcken. Im Tunnel standen wir auf Skateboards. Mit Stirnlampen. Er hat natürlich eine leichte Neigung. Aus der Kloakenzeit. Aber das muss unter uns bleiben. Das ist ja ein Weg, der genau in die unterirdische Sicherheitskammer führt. Nicht, dass das was bedeutet. Falls jemand hinfinden würde. Sie ist aus gehärtetem Stahl und Eisenbeton. Die Kammer. Einbruchssicher. Feuerfest. Und wiegt zwei Tonnen. Sie haben sie aus dem Schlosshof mit einem Kran herabgelassen.«
    »Rickardt«, sage ich, »kann’s sein, dass du Mutter den Tunnel gezeigt hast?«
    Sein Gesicht wurde nachdenklich.
    »Möglich. Ist ja ein romantischer Ort. Der Tunnel. Gefliester Boden. Lebhafte astrale Aktivität. Eine super Location für einen Joint. Es könnte mir der Traum vorgeschwebt haben, ihr eventuell einen kleinen Kuss zu stehlen. Passiert nicht oft, mit eurer Mutter allein zu sein. Aber sagt es keinem. Leider hat sie nein gesagt. Aber ich habe noch nicht aufgegeben. Manche Frauen verlangen eine längere Belagerung.«
    Rickardt legt sich zurecht.
    »Mir steht eine schlaflose Nacht bevor«, sagt er. »Im Bett mit drei süßen Zwetschgen.«
    Das ist eine Bemerkung, die man als Kompliment auffassen muss. Aber tief empfunden kann sie nicht sein, denn im nächsten Augenblick ist Rickardt eingeschlafen, die Laute im Arm.
     
    Wir liegen wach, trotz Erschöpfung ist irgendetwas in uns, das keine Ruhe gibt.
    »Petrus«, sagt Tilte, »würdest du sagen, Vater und Mutter sind Diebe und Räuberbarone, so als Typen?«
    »Nein«, sage ich.
    »Würdest du sagen, sie sind besessen vom Geld?«
    Hier muss ich einen Moment nachdenken. Jedes Kind würde diese Frage ja gern verneinen. Selbstverständlich waren sie in den Monaten, als sie den

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