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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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doch nicht genau mit dem Glockenschlag«, sage ich. »Außerdem gibt es immer eine Notstromversorgung.«
    Wir sehen uns an.
    »Es ist eine Stunde gelöscht worden«, sagt Leonora, »eure Eltern haben eine Stunde gelöscht.«
    »Leonora«, sagt Tilte, »hast du nicht mal gesagt, prinzipiell könne man alles wiederfinden, was je von einem Computer gelöscht wurde?«
    »Prinzipiell«, sagt Leonora. »Aber nicht um halb eins in der Nacht. Außerdem habe ich keine Ruhe. Wenn man eure Eltern kennt. Es sind nette Menschen. Aber auch riskante. Nehmt das bitte nicht persönlich! Ich bin ein bisschen nervös, wenn ich dran denke, was sie gerade in der Mache haben könnten. Das ist nicht lustig, allein im Bett zu liegen und sich hin und her zu wälzen, während sich draußen was zusammenbraut. Ich dachte, vielleicht könnte ich bei euch schlafen.«
    Das Bett ist nun nahezu übervölkert, ich falte die Hände, heute Nacht dreht sich mein Abendgebet um die Hoffnung, dass wir bitte keinen weiteren Besuch von Trost suchenden Leuten bekommen mögen.

Die Stadt der Götter

 
    Kopenhagen ist ein globales, spirituelles Zentrum«, sagt Rickardt Graf Tre Løver, »es ist die Stadt der Götter, ich kann das riechen.«
    Die weiße Dame gleitet durch die Kopenhagener Hafeneinfahrt, wir stehen mit Graf Rickardt auf dem Vorderdeck. Mit dabei sind die wenigen anderen Passagiere, die sich aus den Federn wühlen und den Folgen des Buffets in Finøholm und von Bullimillas Kanapees und Champagner die Stirn bieten konnten.
    Es ist ein kalter, klarer Morgen mit greller Sonne und blauem Himmel und himmelblauem Meer und weißen Möwen.
    »Es fängt im Norden an«, sagt der Graf. »Mit den Wellnesszentren in Nord-Seeland, den makrobiotischen Diäten, mit Yoga, Dr. Bachs Blütenmedizin und balinesischer Massage. Es akzeleriert mit den Zentren für tibetanischen Buddhismus, der Sufi-Akademie und den katholischen Privatschulen in Hellerup, dem Swedenborg- und Martinus-Institut und den Theosophen in Frederiksberg. Im Zentrum wird es ekstatisch mit dem Kopenhagener Dom, der Theologischen Fakultät, der katholischen Kirche in der Bredgade, der russischen Kirche, den Yogaschulen in der Altstadt, den Moscheen und Synagogen. Und weiter südlich nimmt es eine okkulte Wendung. Mit der Okkulten Schule in Christiania, dem Satanistischen Konsortium am Amager Strandvej, den Astrologischen Instituten amGammel Køge Landevej. Und endet einfach odinshammermäßig mit Asathor und dem großen Opferplatz auf der Gemeindewiese auf Amager.«
    Der Graf holt tief Luft.
    »Ich kann es riechen. Den Weihrauch. Den Duft der satwischen Küche. Das ungesäuerte Brot. Die Halalmetzgereien in der Nansensgade. Die entzündeten Kerzen für die Heilige Jungfrau. Den Opferrauch von Kløvermarken. Und ich kann’s hören. Das Geräusch der Darmspülungen. Das Glucksen der Neti-Kännchen. Die Kirchentonarten. Die Kirchenglocken. Die Gebete gen Mekka. Ich habe ein Lied darüber geschrieben.«
    Ehe Rickardt seine Erzlaute über die Reling gehievt hat, sind wir in Deckung gegangen.
     
    Sonst ist es ein schöner Morgen gewesen. Wir haben geschlafen wie die Murmeltiere und sind früh und wie neugeboren aufgewacht. Wir haben geduscht, und es ist nicht wie zu Hause im Pfarrhof gewesen, wo man sich immer wieder verblüfft fragen muss, ob es Erbe oder Umwelt ist, dass weibliche Duschbäder nie unter einer Stunde dauern und stets den Warmwasserbehälter leeren, denn an Bord der Weißen Dame ist heißes Wasser in rauen Mengen da, außerdem gibt es zwei Duschen, eine für Tilte und eine für Basker und mich, und Berge von weißen Handtüchern und zwei Haartrockner, für Basker nehme ich sie beide gleichzeitig. Wenn man ihn so sieht, denkt man, die große theologische Frage, wo das Paradies liegt, wenn es denn existiert, sei gelöst – man muss nur zwischen zwei voll aufgedrehten Haartrocknern stehen, dann ist man Basker zufolge angekommen.
    Dann ziehen wir die Ordenstrachten an, huschen in die Klinik und wünschen Vibe einen guten Morgen, sie istnoch gut gekühlt. Wir schieben sie in Rickardts Kabine und heben sie mit vereinten Kräften in den Sarg, und als der Deckel festgeschraubt ist, atmen wir erleichtert auf und begeben uns ins Schiffsrestaurant.
     
    Viele große Religionen stehen auf dem Standpunkt, man solle sich einfach zurücklehnen, dann gehe alles wie von selbst, eine Schule, die Tiltes und meine ganze Sympathie genießt, und heute Morgen regelt sich tatsächlich vieles ohne unser

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