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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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Zutun. Auf dem Weg zum Speisesaal geht Tilte ihre SMS durch und berichtet, dass sie von einer Freundin eine kleine Wohnung geliehen bekommt, so dass wir nicht im Pappkarton auf den Straßen der Großstadt nächtigen müssen, und als wir ins Restaurant kommen, stehen wir vor einem Frühstücksbuffet, dem man am liebsten mit Hut gegenüberträte, nur um vor den Schüsseln niederknien und sein Haupt entblößen zu können.
    Sicher weil wir einen Augenblick später ins Essen vertieft sind, lässt unsere Aufmerksamkeit nach. Als wir nämlich die Augen von dem Obstsalat und den Buttercroissants und den zarten Pfannkuchen mit Ahornsirup und Schlagsahne heben und von einem Kaffee, der vom früheren Eigentümer der Weißen Dame zurückgelassen sein könnte, denn er duftet nach den Gewürzfeldern Arabiens, als wir also die Augen von all den Köstlichkeiten heben, sehen wir, dass sich das Restaurant still und leise gefüllt hat und wir direkt vor uns Anaflabia Borderruds Nacken haben.
    Nicht dass etwas gegen Anaflabias Nacken einzuwenden wäre, ganz und gar nicht. Er und ihre hochgesteckte Frisur wären an sich ein ermunternder Anblick, auch wenn ich dafür nicht direkt mein Leben riskieren würde wie für Connys Nacken. Nein, das Problem ist nur, dass nebenAnaflabia Vera sitzt und neben dieser Thorkild Thorlacius’ Gattin und neben dieser wiederum Thorlacius selbst. In der Sekunde, in der ich aufblicke, begegne ich seinem Blick, er starrt uns an, und Tilte hat ihren Schleier gelüftet, damit er ihr beim Einschaufeln der Pfannkuchen nicht im Weg hängt.
    »Aha«, sagt Thorlacius. Und dann etwas lauter: »Aha!«
    Wenn ihm ein drittes Aha erlaubt gewesen wäre, hätte er die Aufmerksamkeit der anderen Frühstücksgäste auf uns gelenkt. Aber dann geschieht etwas Unerwartetes.
    Alexander Finkeblod torkelt wie ein Betrunkener durch den Saal, wirft Stühle und Tische um und sinkt neben Thorlacius auf den Boden.
    »Es ist ein Verbrechen geschehen«, haucht er.
    Alexander Finkeblod ist eine Person, die jederzeit imstande ist, sich Gehör zu verschaffen. Zu diesem natürlichen Talent gesellt sich im jetzigen Fall der Umstand, dass seine Augen weit aufgerissen sind, seine Haare zu Berge stehen, als hätte er die Finger in die Steckdose gesteckt, und dass er seine Baronesse dabei hat und auch ihre Haare zu Berge stehen, im Grunde ähnelt sie einem Stachelschwein.
    Kein Wunder, dass ihm die Aufmerksamkeit des ganzen Saals gehört, auch Katinkas und Lars’, die am Nebentisch sitzen.
    »Ich war beim Arzt«, sagt er. »Heute ganz früh!«
    Katinka nimmt sich die Zeit, den letzten Bissen einer Zimtschnecke hinunterzuschlucken.
    »Ich finde, das hört sich nach einer prima Idee an«, sagt sie.
    Tilte und ich haben den Eindruck, dass Katinka und Lars trotz Verliebtheit und trotz Kaffee und Zimtschneckendiese Gesellschaft und vielleicht besonders diesen Alexander Bister Finkeblod mittlerweile ein klein wenig satt haben.
    »Es war fünf Uhr«, sagt Alexander, »ich wache auf mit gestörter Peristaltik. Krämpfe. Mein erster Gedanke ist: die Kanapees! Mein zweiter Gedanke: Ich muss den Professor wecken! Aber ich weiß nicht, welche Kabine Sie haben …«
    Man sieht Thorkild Thorlacius an, dass ihn die Erleichterung, heute morgen nicht um fünf geweckt worden zu sein, um zu Alexander Finkeblods Verdauung Stellung zu nehmen, Tilte und mich für einen kurzen Augenblick vergessen lässt.
    »Ich wanke also durch die Korridore. Plötzlich befinde ich mich vor der Schiffsklinik. Ich falle förmlich durch die Tür. Und stellen Sie sich die Erleichterung vor, als ich vor der Ärztin stehe. Ich erzähle ihr die Einzelheiten. Bitte um eine Untersuchung. Ziehe die Hose herunter, lege mich auf die Liege. Aber meine Schmerzen scheinen sie kalt zu lassen. Ich sinke vor ihr nieder. Ergreife ihre Hand. Sie ist tatsächlich kalt. Ich fühle ihre Halsschlagader. Kein Puls. Sie ist tot.«
    Hinter Alexander ist Bullimilla aufgetaucht, ihrer Miene ist zu entnehmen, dass die Andeutung, ihre Kanapees könnten Ursache einer Übelkeit sein, ihr Missfallen erregt hat.
    »Die Frau aus der Kutsche«, sagt Thorkild Thorlacius. »Sie muss die Schiffsärztin gewesen sein. Ich habe sie ja gewarnt. Sie machen es nicht mehr lang, Madame, hab ich gesagt.«
    Aber Alexander Finkeblod ist mit seiner Geschichte noch nicht fertig.
    »Ich wanke weiter durch das Schiff. Schmerzgeplagt. Erst auf der Kommandobrücke finde ich einen Mitmenschen. Einen Steuermann. Er glaubt mir nicht. Aber

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