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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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umgekommen. Ich hätte sie ja auch sehen und dich warnen müssen. Aber wir haben es überstanden. Und nur das zählt.«
    Siggi spürte, wie sich Gunhilds Hand in die seine schob. Er sah seine Schwester an, und ohne dass ein Wort zwischen ihnen gewechselt wurde, wusste er, dass sie ihm auch keine Vorwürfe machte. Sie schüttelte leicht den Kopf, als wollte sie sagen: Ach, Siggi, du …, und dann grinste sie.
    Siggi war unendlich erleichtert. Was zwar nichts daran änderte, dass er sich die Schuld gab, aber es war gut, es nicht immer auch noch hören zu müssen.
    Laurion griff nach der Feldflasche an seinem Gürtel, öffnete sie und reichte sie Siggi. Siggi nahm einen tiefen Schluck. Das kühle Wasser tat ihm gut. Fast augenblicklich fühlte er sich gestärkt und erfrischt.
    »Auf dem Wasser«, erklärte Laurion, »liegt der Zauber der Königin. Es gibt uns unsere Kräfte zurück.«
    Auch Gunhild nahm einen Zug aus der Flasche, die Yngwe ihr anbot, aber Siggi bemerkte, dass sie nicht in großen Zügen das Wasser – wie sonst – trank, sondern nur kleine Schlucke nahm. Das kannte er von seiner Schwester nicht. Siggi konnte nicht den Finger drauflegen, aber sie hatte sich doch irgendwie verändert.
    Laurion hob ohne Vorwarnung den Kopf, als lauschte er nach irgendetwas. Siggi war wie erstarrt. Die ganze Haltung ihres Anführers sagte ihm, dass er Gefahr witterte, ohne zu wissen, was da auf sie zukam.
    Auch Yngwe hatte den Kopf gehoben. Seine Augen waren so weit aufgerissen, dass man das Weiße darin erkennen konnte.
    »Was ist?«, fragte Gunhild.
    »Nein«, keuchte der junge Lichtalbe. »Das kann nicht … Spürt ihr es denn nicht?«
    Die Lios-alfar schienen völlig verwirrt zu sein, etwas, was weder Siggi noch Gunhild erwartet hätten; denn bisher hatten sich ihre Führer immer als allen Gefahren gewachsen erwiesen.
    Aber die Kinder kam nicht dazu, sich allzu viele Gedanken zu machen. Der Fels bebte, als würde sich irgendetwas Gewaltiges unter ihnen und neben ihnen regen. Und das Beben der mächtigen Felsformationen verstärkte sich, als würde ein gewaltiger Drache sich rühren und die Steine zum Wanken bringen, die Erde in ihren Grundfesten erschüttern.
    »Was ist das?«, stieß Siggi hervor.
    »Es ist … der Stein war nur der Auslöser …«, keuchte Laurion fassungslos. Aller Mut schien aus seinem Gesicht gewichen zu sein.
    »Wofür?« Gunhild riss sich zusammen, obwohl ihr anzusehen war, das auch nach ihr die kalten Finger der Angst griffen.
    »Eine Macht, der selbst wir nicht gewachsen sind«, sagte Yngwe.
    »Wir sind verloren.« Laurions Stimme war seltsam tonlos.
    Der Boden rumorte immer stärker; fast sah es so aus, als stürze das ganze Höhlensystem in sich zusammen.
    Siggis Rechte berührte Laurion. Seine Hand umfasste den Arm des Lios-alf.
    »Laurion!« Siggis Stimme war voller Angst. »Was ist das?«
    Der Lichtalbe schien aus einem Traum zu erwachen. Es wirkte, als habe ihn Siggis Berührung geweckt.
    »Ymirs Unheilsquell. Der Blasenbrodler wird er genannt, Drudgelmir. Viele von uns glaubten, er sei nur eine Legende aus dem Anbeginn der Zeit, aber fühlt doch, die Elemente regen sich, erwachen und werden uns verschlingen.«
    Siggi hielt nach wie vor den Arm Laurions umklammert. Und mit jeder Sekunde schien in dem Krieger der Lios-alfar wieder das Kämpferherz zu erwachen. Sein Blick klärte sich; die Resignation wich aus seinen Zügen.
    »Kommt, vielleicht haben wir noch eine Chance«, sagte Yngwe. »Es ist unsere letzte Hoffnung.«
    Siggi atmete auf. Die Lios-alfar hatten sich noch nicht aufgegeben. Der Kampf würde aufs Neue beginnen, und durch das Beispiel ihrer Begleiter schöpften auch Gunhild und er wieder neue Kraft.
    Laurion übernahm wieder die Führung. Die Brauen in voller Konzentration zusammengezogen, versuchte er, so schnell er es vermochte, sie von hier wegzubringen. Der schwankende Boden machte es schwerer, die Fallen zu erkennen, aber Laurion gab sein Bestes. Der Gang führte schnurgerade von der Kreuzung weg, wo sie dem Stein entkommen waren – nur, wie es schien, um einer noch größeren Gefahr in die Arme zu laufen.
    Siggi wagte sich gar nicht vorzustellen, was Ymirs Unheilsquell ihnen bringen würde. Er hatte nicht gewagt zu fragen, was ›Schlimmeres‹ bedeutete, als Laurion von den Fallen erzählte. Bald würden sie nun erfahren, was schlimmer war als vergiftete Speerspitzen, Felsnadeln oder riesige Steinkugeln.
    Hinter ihnen grummelte es bedrohlich, und dann explodierte es.

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