Die Kinder des Dschinn. Das Akhenaten-Abenteuer
auf ein paar große Steinbrocken in ungefähr dreißig Meter Entfernung. »Also gut, wir wollen damit beginnen, einen dieser Steine verschwinden zu lassen. Versucht als Erstes, etwas Kraft in eurem Fokuswort zu sammeln. Schließt die Augen und konzentriert euch nur darauf.«
Philippa und John kniffen die Augen zu und konzentrierten sich auf ihr Wort. Beide versuchten die gesamte Dschinn-Energie, die in ihren jungen Körpern steckte, in ihrem Fokuswort zu vereinen.
»Versucht euch vorzustellen, dass euer Wort nur ganz selten benutzt werden kann, als wäre es der rote Knopf, der eine Rakete in die Luft jagt, oder der Abzug eines Gewehrs. John, du fängst an. Ich möchte, dass du jetzt die Augen öffnest und dirvorstellst, dass einer der Steine weg ist. Stell dir das Verschwinden des Steins als logische Folge vor. Verankere sie in deinem Gehirn, so als gäbe es keinen Unterschied zwischen Wirklichkeit und Phantasie. Und dann, während du diesen Gedanken festhältst, sprich dein Fokuswort so deutlich wie möglich aus.«
John konzentrierte sich. Er dachte an Nimrods Demonstration seiner Kräfte und tat es ihm nach: Er stellte sich mit geschlossenen Beinen hin, hob wie ein Fußballer beim Elfmeter der Gegner die Hände in Brusthöhe und rief: »ABECDERISCH!«
Die ersten zehn bis fünfzehn Sekunden geschah rein gar nichts, und John wollte sich schon entschuldigen und »War doch klar!« zu Nimrod sagen, als der zwei Meter hohe Steinbrocken, den er ausgesucht hatte, sichtbar vibrierte und ein Stückchen von der Größe einer Walnuss abbrach.
»Wow!«, sagte John. »Habt ihr das gesehen?!« Er lachte hysterisch. »Ich hab es geschafft! Na ja, ich habe
etwas
geschafft.«
»Nicht schlecht für den ersten Versuch«, sagte Nimrod. »Er ist zwar nicht verschwunden, aber du hast ihn immerhin beeindruckt. Philippa, probiere es mit dem größeren Stein neben Johns Versuchsexemplar. Denk daran, wie deine Vorstellung von dem verschwundenen Stein mit der Wirklichkeit verknüpft ist«, schlug er vor. »Das Verschwinden des Steinbrockens ist ein mögliches Ereignis, das schon immer in diesem Stein vorhanden war.« Er hielt inne. »Wenn du so weit bist, wenn du verstanden hast, dass die Logik alle Möglichkeiten in sich birgt, dann drücke auf den roten Knopf – dein Fokuswort.«
Während Philippa sich auf den Steinbrocken konzentrierteund sich darauf vorbereitete, ihr Fokuswort auszusprechen, hob sie die eine Hand wie eine Ballett-Tänzerin und schwenkte die andere wie ein Verkehrspolizist.
»FABELHAFTIGANTISCHWUNDERLICHERICH!«
Schon als sie den letzten Buchstaben ausgesprochen hatte, fing der Stein an zu beben. Er bebte fast eine ganze Minute lang heftig, bevor er wieder zur Ruhe kam.
Sie klatschte in die Hände und kreischte vor Entzücken.
»Ja«, sagte Nimrod geduldig. »Du hast mit Sicherheit seine Molekülstruktur beschleunigt. Das war deutlich zu erkennen. Es scheint mir nur, dass ihr euch noch eine klarere Vorstellung vom Nichts machen müsst. Ihr verwechselt beide Veränderung mit Verschwinden. Ein weit verbreiteter philosophischer Fehler. Das äußere Erscheinungsbild einer Sache zu verändern ist etwas ganz anderes, als es verschwinden zu lassen. Jetzt versucht es noch einmal. Vergesst nicht: Was immer logisch möglich ist, ist auch erlaubt. Ein Gedanke enthält die Möglichkeit der Situation, um die der Gedanke sich dreht. Was denkbar ist, ist also auch möglich.«
Die Zwillinge staunten, wie viel Konzentration für das Bündeln ihrer Dschinn-Kräfte erforderlich war. Es war harte Arbeit und sie keuchten, als hätten sie einen schweren Gegenstand hochgehoben und wären gleichzeitig über ein Feld gerannt, wobei sie noch eine schwierige Algebra-Gleichung lösen mussten. Nach zwei Stunden hatten sie es gerade mal geschafft, ein paar größere Steinbrocken in kleinere Steine zu verwandeln. Schließlich erlaubte Nimrod ihnen, sich für ein paar Minuten auszuruhen.
»Das ist vielleicht anstrengend«, musste John zugeben.
»Am Anfang schon«, sagte Nimrod. »Aber es ist wie mit der körperlichen Fitness. Ihr müsst lernen, den Teil eures Gehirns zu entwickeln, in dem eure Kräfte sitzen. Wir Dschinn nennen diesen Teil das Neshamah. Es ist die Quelle eurer Dschinn-Kräfte. Das leise Feuer, das in euch brennt. Es kann mit der Flamme in einer Öllampe verglichen werden.« Er rieb sich die Hände. »Also gut, jetzt wollen wir versuchen, etwas herbeizuwünschen. Wir haben bald Mittagszeit. Wie wäre es mit einem Picknick?
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