Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka
gibt es nichts Gefährlicheres als deine Unterhosen.«
»Witzig«, sagte John. »Sehr witzig.«
»Der Stein dürfte eigentlich nicht gefährlich sein«, sagte Nimrod. »Es sei denn –«
»Es sei denn«, sagte Philippa, »die drei Scheiben waren gar nicht aus Gold, sondern bestehen aus etwas anderem, stimmt’s? Etwas, das in der Nähe von Uran gefährlich reagiert.«
»Ja, allerdings«, sagte Nimrod. »Sprich weiter.«
»Na ja, könnte es vielleicht sein, dass die Tränen der Sonne nur wie Gold ausgesehen haben? Dass man sie nur mit einer dünnen Goldschicht überzogen hat, um zu vertuschen, aus welchem Material sie wirklich sind? Die Inka könnten sie doch einfach in Gold getaucht haben.«
»Allerdings«, sagte Nimrod. »Kluges Mädchen. Und? Aus was könnten sie dann bestehen? Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, schien nur eine der drei Scheiben deutlich schwerer zu sein als normales Gold.«
»Wie wäre es mit Blei«, schlug Groanin vor. »Was ist mit Blei? Es haben schon viele Leute Bleistücke vergoldet und in Umlauf gebracht. Fälscher und Falschmünzer. Deshalb beißen die Leute heute noch auf Goldmünzen, wenn sie feststellen wollen, ob sie wirklich echt sind.«
»Blei nicht«, sagte Nimrod. »Blei reagiert nicht auf Uran.«
Und dann stieß er einen lauten Fluch aus.
Es war das erste Mal, dass die Kinder ihren Onkel fluchen hörten, und einen Moment lang waren sie richtiggehend geschockt.
»Wascht dem Mann den Mund aus«, sagte Groanin. »So vor dem jungen Gemüse zu fluchen. Sie sollten sich schämen, Sir.«
»Ich bitte um Verzeihung«, erklärte Nimrod hastig. »Aber ich hatte gerade einen ganz schrecklichen Gedanken.« Dann verfiel er für eine Weile in Schweigen, lief nervös durch das Lager, wobei er immer wieder den Kopf schüttelte und die Hände rang.
»Verraten Sie uns nun, was Sache ist, oder müssen wir es aus Ihnen herausprügeln?«, stellte Groanin ihn zur Rede. »Sir.«
»Vielleicht wäre es besser, es nicht zu wissen«, sagte Nimrod düster. »Ich weiß vieles, von dem ich mir manchmal wünschte, es nicht zu wissen. Wie hat Mr Rakshasas immer gesagt? Es ist besser, sich nicht an das zu erinnern, was man lieber vergessen sollte, und besser, nie zu vergessen, was man lieber behalten sollte.«
»Humbug«, sagte Groanin. »Heraus damit, Mann, oder ich koche nie wieder Tee für Sie.«
»Das ist in der Tat eine schlimme Drohung, Groanin«, sagte Nimrod mit einem schiefen Lächeln. »Nun gut. Ich habe mir Folgendes überlegt. Die schwerste der drei Scheiben könnte aus purem Polonium bestehen.«
»Nie davon gehört«, sagte Groanin. »Ich habe vom Palladiumgehört und Judy Garland mal live im London Palladium spielen sehen, als ich noch ein Jüngling war. Tolle Sache. Das Mädel konnte vielleicht singen.«
»Es gibt ein seltenes Edelmetall, das Palladium heißt«, sagte Nimrod. »Aber ich rede weder davon noch vom Lodoner Palladium-Theater. Ich meine ein anderes Metall namens Polonium.«
»Davon habe ich jedenfalls noch nie gehört«, sagte Groanin. »Ihr Polonium kenne ich nicht.«
»Nun, das wäre auch relativ unwahrscheinlich «, sagte Nimrod. »Es ist nicht die Art von Metall, die man in der Hosentasche eines Butlers findet. Es ist sogar extrem selten und wurde erst 1898 entdeckt. Von Pierre und Marie Curie.«
»Augenblick mal«, sagte Philippa. »Wenn es erst 1898 entdeckt wurde, wie kommt es dann, dass eine Scheibe aus Polonium fast hundert Jahre lang als indianisches Artefakt im Peabody-Museum ausgestellt wird? Entweder hat Hiram Bingham gelogen, was den Fundort der Tränen der Sonne angeht, oder –«
»Oder die Inka haben die Geheimnisse der Pechblende schon fünfhundert Jahre vor den Curies entdeckt«, murmelte Nimrod. »Ganz genau.«
»Pechblende?«, sagte John. »Was ist das?«
»Deutsche Bergleute haben dieses Gestein ausgegraben und Pechblende genannt, weil es voller Metall war, das sie damals noch nicht gewinnen konnten.«
»Hätte ich mir denken können, dass die Deutschen da irgendwie die Finger im Spiel haben«, sagte Groanin.
»Tatsächlich«, fuhr Nimrod fort, »war eines der Metalle, das in der Pechblende enthalten war, Blei. Ein anderes war Uraninit, ein bedeutendes Uranmineral. Und dann gab es noch ein weiteres, neues Element, das die Curies aus der Pechblende isolieren konnten. Sie nannten es Polonium, nach Marie Curies Heimatland Polen.«
»Aber wie sollten die Inka so etwas fertiggebracht haben?«, fragte John. »Sie waren doch nur ein
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